„Hysterikon“ – im Supermarkt des Lebens

Das Theaterstück der jungen Autorin Ingrid Lausund – uraufgeführt 2002 im Theater Bonn – ist eine schonungslose Abrechnung mit dem Konsumwahnsinn unserer Zeit, eine schrille, chaotische Revue, in der Komik und Tragik eng beieinander liegen.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Im Schauspielhaus Salzburg war am Mittwoch, dem 7. März 2012, Premiere.

Die vielen kleinen, skurrilen Szenen sind nicht einfach wiederzugeben, vielleicht trägt dieser Text des Schauspielhauses Salzburg zum besseren Verständnis bei.

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„Haben Sie noch genug Gefühle fürs Wochenende? Oder geht Ihnen langsam die Sehnsucht aus? Dann sind Sie hier genau richtig, in Ingrid Lausunds schrill schrägem Supermarkt: Hier gibt´s das Leben zum Aktionspreis. Entscheidungen im Doppelpack, zwei zum Preis von einer. Und jetzt neu im Kühlregal: Hoffnung, einfach auftauen und wieder nach vorne blicken! Zwischen Pastasauce und Frischgemüse die praktischen Dinge des Lebens, zum Beispiel eine handliche Eisenstange, um Ehefrau oder Ehemann zu erschlagen. Träume gibt es auch, zu Fantasiepreisen versteht sich. Sinn? – Sinn ist leider aus, aber nachbestellt. Dafür haben wir gebrochene Herzen, im Dutzend billiger, Joghurt mit Maracujageschmack und Beziehungen aus recyclingfähigem Kunststoff, strapazierfähig und spülmaschinenfest. Und wenn Sie einen Fleck auf ihrem Gewissen haben, mit Konsum geht er raus, und das schon bei 40 Grad. Liebe? Steht bei den Dauerkonserven. Brot, Seife, Weltfrieden. Einfach den Gang runter. Jeder kriegt sein Fett weg, in dieser schrillen Satire auf die Sattheit, diesem rasanten Reigen über Konsum, Paranoia und Bückware. Abgerechnet wird zum Schluss, bitte kein Gedrängel an der Kasse. Und wie möchten Sie zahlen? Bar mit ihrer Würde, oder buchen wir es einfach von Ihrer Lebenszeit ab? Immer mit der Ruhe, nicht so ungeduldig, Sie kriegen schon Ihre Quittung.“

Johann Stockinger (Bühne) hat einen sterilen Supermarkt, ganz in Weiß und Silber, auf die Bühne gezaubert. Herrscher über dieses Reich ist Marcus Marotte als Kassier, der sich auch gerne als Jahrmarktschreier hervortut und die Kunden zu einer Fahrt im „Karussell des Glücks“ einlädt. Isabel Berghout muss sich als Farbige von Ute Hamm als aufdringlicher Schwätzerin so einiges gefallen lassen. Thomas Enzi mimt überzeugend den unbekümmerten Massenmörder, der keine Lügen verträgt. Elke Hartmann und Christoph Griesser gehen als frustriertes Ehepaar aufeinander los. Constanze Passin tummelt sich als fleischgewordene Tiefkühlkost im Kühlregal und bedient hier Männerwünsche. In diesem Panoptikum des Wahnsinns, eben einem „Hysterikon“, dürfen sie alle auch noch in viele andere Rollen schlüpfen, alles namenlose Archetypen, ob nun Antihelden, Tagträumer oder Paranoiker.

Als Spezialistin für das Aberwitzige fordert Ingrid Lausund mit ihren Texten vom Publikum eine gehörige Portion „Denkanstrengung“. Wenn man sich darauf einlässt, ist diese intelligente Groteske sehr unterhaltsam. Dieses trotz des Humors etwas verstörende Stück, von Marion Hackl schwungvoll in Szene gesetzt, wird sicherlich noch lange nachwirken.

„Hysterikon“ – von Ingrid Lausund. Regie und Kostüme: Marion Hackl. Bühne: Johannes Stockinger. Dramaturgie: Birgit Lindermayr. Mit: Isabel Berghout, Thomas Enzi, Christoph Griesser, Ute Hamm, Elke Hartmann, Marcus Marotte, Constanze Passin. Fotos: Eva-Maria Griese

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