„Die nackte Wahrheit“ – Jugendfrei ab 16 Jahren

Die ungewohnte Altersbeschränkung eines Theaterstücks im Salzburger Landestheater erweckt Neugierde. Das Plakat mit dem behaarten Sixpack eines durchtrainierten Männerkörpers sorgte bereits im Vorfeld für Aufregung, doch wurde die deutschsprachige Erstaufführung von Paul Rudnicks beißender Satire über einen „exhibitionistischen Schockkünstler“ vom Salzburger Publikum begeistert aufgenommen. Die Premiere am 23. November 2013 verlief ohne Zwischenfälle und ohne Buh-Rufe.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Der für seine freizügigen, obszönen Fotos bekannte Künstler Alex Del Flavio wird in seinem Atelier, einem großzügigen Loft, von der Kuratorin der geplanten Retrospektive aufgesucht. Sie ist im Stress, ist sie doch für die Durchführung der großen Eröffnungsgala verantwortlich. Lange druckst sie herum, denn es gäbe da noch ein paar winzige Kleinigkeiten zu klären. Es ginge um Subventionen, der Vorstand sei besorgt und wünsche die Entfernung von drei besonders obszönen Bildern.

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Alex ist nicht dazu bereit, er konfrontiert seine Besucherin mit den Bildern und verwickelt sie in ein Gespräch über Kunst, vor allem aber über Sex. Nach anfänglichen Problemen mit dem schlüpfrigen Thema wird die frustrierte Senatorengattin zusehends lockerer und genießt schließlich sogar den Schlagabtausch. Sie gibt zu, dass ihre Ehe nicht so rosig ist, wie sie scheint. Das plötzliche Auftauchen ihres Ehemannes, seine beleidigenden, rassistischen und lesben- und schwulenfeindlichen Äußerungen gegenüber dem Künstler und seiner Assistentin geben ihr den Rest. Jetzt weiß sie genau, wie sie ihren Mann treffen kann, und so lässt sie sich von Alex „porträtieren“.

Tim Oberließen hat als durchgeknallter Künstler in den ersten fünf Minuten seinen großen nackten Auftritt und meistert ihn ohne jede Peinlichkeit. Später schockiert nur noch „Steves Porträt“, ein Symbol schwarzer Stärke, welches von Sissy, der durchgeknallten Tochter des Senators (grandios Nadia Migdal), lange Zeit für einen einsamen Baum gehalten wird. Beatrix Doderer überzeugt sowohl als verklemmte Senatorengattin im braven Chanel-Kostüm mit Hochsteckfrisur als auch als emanzipierte Frau im tief dekolletierten Kleid mit Löwenmähne. Axel Meinhardt verkörpert einen schleimigen Politiker, der seine Frau schamlos benutzt – es geht ja nichts über ein intaktes Familienleben. Diana Marie Müller als lesbische, afroamerikanische Assistentin des Künstlers hat ständig gegen Vorurteile und Klischees zu kämpfen. Lisa Müller-Trede und Marcus Brien erpressen und manipulieren als einflussreiche Kunstkenner den Künstler scham- und gnadenlos.

Marco Dott hat die rabenschwarze Komödie über die Auswüchse im Kunstbetrieb turbulent und spritzig in Szene gesetzt. Auch die Seitenhiebe auf typisch amerikanische Themen, wie Jugend- und Schönheitswahn, Rassismus oder die Diskriminierung von Schwulen und Lesben, sind in dieser Überzeichnung amüsant. Die positive Aufnahme des doch sehr frivolen Stückes beweist, dass die Salzburgerinnen und Salzburger nicht mehr so leicht zu schockieren sind und Sinn für schrägen Humor haben.

„Die nackte Wahrheit“ von Paul Rudnick. Deutsch von Knut Hansen. Inszenierung: Marco Dott. Ausstattung: Manuela Weilguni. Dramaturgie: Tobias Hell. Mit: Beatrix Doderer, Tim Oberließen, Diana Marie Müller, Axel Meinhardt, Nadia Migdal, Lisa Müller-Trede, Marcus Brien, Corinna Ketter. Fotos: Christina Canaval/ SLT

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