Elisabeth Pichler. In einem von grellem, kaltem Neonlicht ausgeleuchteten weißen Raum sortiert Herr Argan seine Arztrechnungen. Er schwankt zwischen Begeisterung über all die reinigenden Einläufe, beruhigenden Klistiere und adstringierenden Spülungen und Verärgerung über die Höhe der Rechnungen. Obwohl er relativ gut genährt und gesund wirkt, muss er immer wieder auf eine Stehleiter klettern, um sich mit ein paar Pillen oder einem Schlückchen aus einem der vielen Fläschchen zu stärken, die da auf zwei Regalen rechts und links der Bühne angebracht sind. Toinette, ein sehr modernes Dienstmädchen in kessen Hotpants, ist von all den Verordnungen nicht recht überzeugt und macht sich über den armen Kranken nur lustig. Doch hat Herr Argan eine wirkliche Stütze in seiner treu ergebenen zweiten Frau Béline, die ihn zärtlich verhätschelt, wenn auch mit nur allzu deutlichen eigenen Absichten. Aus ebenso eigennützigen Motiven versucht er nun seine Tochter Angélique mit einem frischgebackenen Doktor der Medizin zu verheiraten, doch das junge Fräulein wehrt sich vehement, hat sie doch bereits einen Auserwählten: den bildschönen, jungen Cléante. Mit Hilfe der listigen Toinette gelingt es ihr schließlich, dem Vater die Augen zu öffnen für die wahren Gefühle seiner liebenden Gemahlin.
Über Brigitte Karner, die als Herr Argan in einen feinen schwarzen Anzug schlüpft, ist ja schon vor der Premiere viel geschrieben worden. Der Grund für diese Hosenrolle ist zwar nicht ganz greifbar, doch überzeugt sie mit vollem komödiantischem Einsatz. Ihre Anfälle sind bemerkenswert, immer wieder wird aus dem resoluten Familienvater ein zappelndes, hechelndes Wesen, um dessen Gesundheit man sich wirklich Sorgen machen könnte. Mit Blindheit scheint Herr Argan jedoch geschlagen, wenn die „liebende“ Gattin auftaucht, denn Britta Bayer ist schon rein optisch die böse Stiefmutter aus dem Märchen mit erbschleicherischen Absichten, auch kokettiert sie nicht gerade diskret mit dem Herrn Notar. Das ganze Ensemble hatte sichtlich viel Spaß an den vielen kleinen Gemeinheiten, die sich der Regisseur da ausgedacht hat, um Herrn Argan, dieses Musterbeispiel eines Hypochonders, bloßzustellen. Ständig werden die Hände desinfiziert, bei jedem Huster wird ein Mundschutz umgelegt und die Verweigerung eines Klistiers führt zu einem grandiosen Auftritt des alten, in seiner Ehre gekränkten Arztes (Volker Conrath). Auch Shantia Ullmann als braves, doch meist verzweifeltes Töchterchen, Anna Christina Einbock als resolutes, pfiffiges Hausmädchen, Tim Oberließen als schmieriger Notar und Christoph Wieschke als sehr bodenständiger Bruder sorgen für einen schwungvollen, unterhaltsamen Abend. Für Bühne und Ausstattung zeichnet wieder einmal die vielbeschäftigte Manuela Weilguni verantwortlich. Das einfache, aber funktionelle Bühnenbild wird durch die phantasievollen Kostüme mit vielen kleinen, witzigen Details – wie etwa den grandiosen Schuhen von Britta Bayer – belebt. Peter Ewald sorgt für dezente musikalische Untermalung auf seinem Cembalo.
Molière ist zeitlos, das beweist diese flotte, moderne Inszenierung von Rudolf Frey. Aberwitzige Szenen und viel Situationskomik garantieren zwei vergnügliche Stunden.
„Der eingebildete Kranke“ von Molière (Deutsche Fassung von Philipp Engelmann mit Auszügen aus der Schauspielmusik „Le malade imaginaire“ von Marc-Antoine Charpentier) / Inszenierung: Rudolf Frey / Ausstattung: Manuela Weilguni / Dramaturgie: Heiko Voss / Mit: Brigitte Karner, Britta Bayer, Shantia Ullmann, Christoph Wieschke, Matthias Hungerbühler, Volker Conradt, Tim Oberließen, Anna Christina Einbock, Cembalo: Peter Ewald / Fotos: Jürgen Frahm
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