Richard Wagners Meisterwerk, bestehend aus vier Musikdramen mit insgesamt sechzehn Stunden Musik, wird in dieser Fassung auf 126 Minuten komprimiert und bietet einen sehr zeitgemäßen Blick auf das große Epos. Die Produktion ist der langjährigen Prinzipalin des Salzburger Marionettentheaters, Prof. Gretl Aicher, gewidmet, die völlig unerwartet während der Probearbeiten verstorben ist.
Von Elisabeth Pichler.
Mit dem „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry gab es bereits im Vorjahr eine erfolgreiche Zusammenarbeit des Salzburger Landestheaters mit dem benachbarten Marionettentheater. Diesmal wagt sich Intendant Carl Philip von Maldeghem an ein absolutes Großprojekt, in dem 30 Charaktere, von Marionetten und Menschen dargestellt, gemeinsam auf der kleinen Bühne agieren. Eine spannende Konstellation, die sowohl Wagner-Fans als auch Wagner-Anfänger zu begeistern weiß.
Für den musikalischen Background sorgt die legendäre Aufnahme des Ringes aus den Jahren 1958-64 mit den Wiener Philharmonikern unter Dirigent Sir Georg Solti mit den Stimmen von Wolfgang Windgassen (Siegfried), Birgit Nilsson (Brünnhilde), Dietrich Fischer-Dieskau (Gunther) u.v.a. Die Auswahl der Musikeinspielungen war sicherlich nicht einfach, doch gelingt Philippe Brunner eine musikalische Fassung, die die Handlung stets vorantreibt und in der weder die großen Arien (bei Wagner sind es „gesungene Erzählungen“) noch die bekanntesten Leitmotive fehlen.
Die Kombination aus Schauspielern und Marionetten übt eine große Faszination aus. Christiani Wetter und Tim Oberließen kommentieren nicht nur das Geschehen auf der Bühne, sie greifen immer wieder ins Spiel ein. So treten sie in einer besonders eindrucksvollen Szene als Riesen auf und übernehmen schließlich in der „Götterdämmerung“ die Rollen von Gunther und Gutrune. Neben den vielen heiteren Momenten, wie dem Showtanz der Walküren oder Siegfrieds Kampf mit dem Drachen, kommt es immer wieder zu großen, sehr berührenden Szenen, wie etwa Brünnhildes Schlussgesang. Herzerwärmend, wenn auch nicht ganz ernst zu nehmend, die hinreißenden Liebesszenen zwischen Siegmund und Sieglinde sowie Siegfried und Brünnhilde. Christiani Wetter und Tim Oberließen beeindrucken durch munteres Spiel und klare Sprache, sie lassen Wagners Texte mit ihren doch etwas gewöhnungsbedürftigen Formulierungen wunderbar poetisch klingen, beherrschen aber auch einen sehr flapsigen Umgangston, wenn sie sich über manche Szenen oder Personen wie den naiven Siegfried lustig machen.
Die Puppenköpfe stammen von Reinhard Feldinger, einem Bildhauer aus Elsbethen, dem es gelungen ist, den Puppen so viel Persönlichkeit einzuhauchen, dass sie fast lebendig erscheinen. Die unsichtbaren Damen und Herren, die für die unvergleichliche Motorik der Puppen verantwortlich zeichnen, ernteten bei ihrem Erscheinen zum Schlussapplaus der Premiere am 30. März 2012 gewaltigen Beifall – ebenso die Puppen, die Schauspieler und das gesamte Leading-Team. Die Mischung aus Oper und Schauspiel sowie aus Marionetten und Menschen sorgt für ein sehens- und hörenswertes Theatervergnügen.
„Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner. Die Tetralogie an einem Abend mit Marionetten und Menschen. Musikalische Fassung: Philippe Brunner. Szenische Fassung: Carl Philip von Maldeghem. Figurenspielkonzeption: Gretl Aicher/Philippe Brunner. Inszenierung: Carl Philip von Maldeghem. Co-Regie: Claudia Carus. Figurenentwürfe, Bühne und Kostüme: Christian Floeren. Mit: Christiani Wetter, Tim Oberließen. Aufnahme: Wiener Philharmoniker; Decca 1958-64; Dirigent: Sir Georg Solti. Foto: Christina Canaval
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