Der junge Tom zündet sich am Bühnenrand (ein kleiner Balkon mit Aussicht und zwei großen Mülleimern) eine Zigarette an und verspricht uns eine sentimentale Geschichte, in der er selbst mitspielen werde. Beim gemeinsamen Essen mit seiner Mutter Amanda und seiner Schwester Laura wird schnell klar: Da sitzen drei Verlorene, die von einem anderen Leben träumen. Amanda lebt in der Vergangenheit und schwärmt noch heute von ihren vielen Verehrern, damals in den blauen Bergen. Tom, der in einem Lagerhaus arbeitet, träumt von der Ferne, einer Karriere als Dichter und flüchtet sich regelmäßig in die Scheinwelt des Kinos. Die leicht behinderte, unauffällige und schüchterne Laura hat sich in ihre ganz eigene Welt zurückgezogen, in die Phantasiewelt ihrer Glasmenagerie. Als Tom seinen Kollegen Jim, von der Mutter als Heiratskandidat für Laura ausersehen, mit nach Hause bringt, nimmt eine leise Tragödie ihren Lauf.
Diese Familienhölle mutet fast wie ein Vorläufer der heute so beliebten amerikanischen Sitcoms an. Im Mittelpunkt eine völlig überdrehte, nervige Mutter, die ihre armen Kinder schikaniert, sie ständig bevormundet und unaufhörlich zu guten Manieren anhält. Kein Wunder, dass der Gatte – ein Alkoholiker – schon längst die Flucht ergriffen hat.
Dieser Albtraum aller Mütter ist eine Paraderolle für Britta Bayer. Fast könnte sie einem leidtun, kämpft sie doch auf ihre Weise nur um eine bessere Zukunft für ihre Kinder und gesteht sich selbst ein: „Durch meine Aufopferung bin ich zur Hexe geworden.“ Als endlich ein „Verehrer“ für ihre Tochter angekündigt wird, scheut sie wieder Kosten noch Mühen. Sie steckt die arme Laura in ein absolut unpassendes, lächerliches Kleid. Auch sie selbst putzt sich heraus und ist so aufgekratzt, dass sie fast vergisst, für wen der junge Mann bestimmt ist. Shantia Ullmann überzeugt als schüchterne Laura, sie ist der ruhende Pol in dieser hektischen Familie. Immer wieder schafft sie es, sich zurückzuziehen, mit ihren Glastieren zu spielen oder alte, zerkratzte Schallplatten zu hören. Peter Marton als Jim wirkt in dieser neurotischen Umgebung wunderbar normal, ein Phantast, dessen Unbekümmertheit und Lebenslust ansteckend wirkt. Selbst die zurückhaltende Laura taut auf und schließlich sitzen die beiden in einem Kreis, umgeben von Kerzen: ein berührendes Bild, das leider der Realität nicht standhält. Tim Oberließen als Tom beherrscht ein paar wirklich verblüffende Zaubertricks, ansonsten ist er meist auf der Flucht vor dieser „Familienidylle“.
Tennessee Williams „Glasmenagerie“ ist ein absolut aktuelles Stück, geht es doch um die Verlorenheit der Figuren, ihre Anstrengungen, ein wenig Hoffnung in ihr Leben zu bringen, die psychische Verstörtheit von Laura und natürlich auch die angespannten Beziehungen zwischen Kindern und Eltern. Volkmar Kamm (Regie) und Konrad Kulke (Ausstattung) ist es zu verdanken, dass dieser Blick in die Abgründe familiärer Fehlentwicklung so viele heitere Momente hat. Eine wunderbarer Abend, eine grandiose Ensembleleistung, viel Applaus.
„Die Glasmenagerie“ – Tennessee Williams / Salzburger Landestheater / Kammerspiele Inszenierung: Volkmar Kamm / Ausstattung: Konrad Kulke / Dramaturgie: Felix Breyer / Mit: Britta Bayer, Shantia Ullmann, Tim Oberließen, Peter Marton / Fotos: Jürgen Frahm
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