Shakespeares wilde Londoner Jahre sind vorbei, er hat der Bühne abgeschworen und sich aufs Land zurückgezogen, um ein bürgerliches Leben zu genießen. Doch dem Theater gehen langsam die Stücke aus. Da tauchen zwei Schauspieler bei ihm auf und stören die häusliche Idylle: „William, bitte! Wir leben doch von deiner Hand, die uns die Verse hinwirft wie ein Seil aus Sinn. Dein Wort verwandelt unseren Schweiß in Speichel, den Talg und Puder schlechter Maskerade in Bedeutung und verleiht unserem geschminkten Fleisch die Seele der Unsterblichkeit.“ Der Meister sträubt sich erst und argumentiert: „In mir ist nichts, kein Rest, nur Schweigen.“ Doch ein großzügiges finanzielles Angebot kann ihn schließlich überzeugen. Seine ersten Schreibversuche sind niederschmetternd, keine großen Gefühle, nichts von Liebe, Ehe, Eifersucht und Tod, nein, es geht schlicht und einfach um Vermögenssteuer. Für diese eigenartige Schreibblockade gibt es nur eine Lösung: Shakespeare muss nach London übersiedeln. Dort wird er bei einer Witwe mit zwei bildschönen Töchtern einquartiert, die ihn inspirieren sollen. Es funktioniert bestens, denn schon bald ist die Idee für ein neues Stück geboren: König Heinrich VIII., die Geschichte des größten Ehebrechers und Frauenverschleißers des englischen Königshauses.
Mit Richard Burbage (Christoph Wieschke) als 1. Schauspieler und Kemp (Marco Dott) als Komiker der Truppe nimmt es ein eigenartiges Duo mit Shakespeare auf und seine Sache sehr ernst. Die beiden improvisieren einen Fechtkampf und konfrontierten ihren Meister mit den besten Szenen und Zitaten aus seinen Stücken. Doch auch in London sind sie schwer beschäftigt, denn sie müssen – wie das zu Shakespeares Zeiten üblich war – die Frauenrollen übernehmen und natürlich auch bei den Proben zu Heinrich VIII. mitspielen.
Die zwei reizenden jungen Damen, die den Meister inspirieren sollen, setzen dabei ihre unterschiedlichen Stärken ein. Die schnippische Anne (Anna Unterberger) mit ihrem losen Mundwerk unterliegt vorerst ihrer kleinen, etwas langsameren Schwester Mary (Shantia Ullmann), die weniger Kopf, dafür mehr Kurven aufzuweisen hat, denn leider ist auch Shakespeare (Gero Nievelstein) nur ein Mann wie alle anderen. Mit List und Raffinesse schafft Anne es schließlich doch, im neuen Drama verewigt zu werden, und stellt dann auch noch Forderungen. „Ich sag dir, was ich will: auch eine Todesszene!“ Der erbitterte Konkurrenzkampf, der zwischen den beiden Musen entbrennt, gefährdet schließlich sogar das Privatleben des Autors, denn seine Gattin Kate (Ulrike Walther) ist „not amused“.
Das große Drama wird in historischen Kostümen gespielt, die Alltagszenen bekommen durch modische Straßenkleidung Allgemeingültigkeit (Kostüme: Alois Dollhäubl). Das Bühnenbild von Reinhard Bichsel hat Elemente des Globe-Theaters aufgegriffen und es gelingt ihm, mit einer siebenteiligen, verschiebbaren Holzwand auch ein mehrstöckiges Londoner Haus auf die Bühne zu zaubern.
Die Mischung aus Privatem und Historischem, Fakten und Fiktionen wird zu einer großen, äußerst vergnüglichen Shakespeare-Fantasie, in der es vor Zitaten nur so wimmelt. Ein unterhaltsames Stück, in dem die Schauspieler ihre vielseitigen Talente – sowohl die tragischen, aber vor allem die komischen – unter Beweis stellen können. Der Intendant des Salzburger Landestheaters Carl Philip von Maldeghem inszeniert die Uraufführung dieses Auftragswerkes, als heiteres Verwirrspiel, in dem Ernstes und Unterhaltendes kunstvoll verknüpft sind.
„König Shakespeare oder Alles ist wahr“ – von John von Düffel / Uraufführung – Premiere: 20.März 2010 / Salzburger Landestheater / Inszenierung: Carl Philip von Maldeghem / Bühnenbild: Reinhard Bichsel / Kostüme: Alois Dollhäubl / Dramaturgie: Felix Breyer / Mit: Gero Nievelstein, Ulrike Walther, Christoph Wieschke, Marco Dott, Anna Unterberger, Shantia Ullmann
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