In seinem neuen großen Handlungsballett gilt Peter Breuers Interesse nicht so sehr den historischen Fakten. Er geht vielmehr auf die Seelenzustände der Protagonisten ein. Der französische Hof mit seiner rigiden Etikette und den vielen Intrigen machte es der jungen österreichischen Erzherzogin nicht leicht. Auch ihr schwacher Gemahl, Ludwig XVI., war ihr keine große Stütze. Umjubelte Premiere des barocken Ballettabends war am 8. Dezember 2012.
Von Elisabeth Pichler.
Als 14-Jährige wurde Maria Antonia, die jüngste Tochter von Maria Theresia, mit dem Dauphin von Frankreich verheiratet. Am Hofe von Versailles stand sie stets unter missgünstiger Beobachtung. Zwei Tanten ihres Mannes taten sich besonders hervor. Um den ständigen Vorwürfen zu entgehen – auch für ihre anfängliche Kinderlosigkeit machte man sie verantwortlich –, rettete sie sich in rauschende Feste und baute sich eine etwas naive Kunstwelt auf. Sie war blind für die Armut des Volkes und für die Anzeichen der nahenden Revolution. Ihr Leben endete 1793 auf dem Schafott.
Ballettchef Peter Breuer und die Dramaturgin Maren Zimmermann konstruierten eine Rahmenhandlung. Während eines Museumsbesuches schlüpft ein junges Mädchen, fasziniert von einem Gemälde der Marie Antoinette, in das Bild und erlebt, wie in einem Traum, deren tragisches Schicksal. Die Handlung beginnt mit der arrangierten Hochzeit. Es folgen rauschende Feste, doch nach dem Tode von Ludwig XV. beginnt für das junge Königspaar der Ernst des Lebens, der die Beiden völlig überfordert. Anna Yanchuk begeistert als Marie Antoinette und schafft den Spagat zwischen dem jungen, unerfahrenen Mädchen und der reifen, starken Frau. Berührend die Szene, in der sie versucht, ihrem verzweifelten Mann zu helfen, intensiv und zu Herzen gehend ihr Abschied von Graf Axel von Fersen (Asher Smith) vor dem Weg zum Schafott. Aufwühlend und erschütternd ihr Solo zu den Klängen von Edith Piafs „No, je ne regrette rien“.
Doch zuvor wird noch kräftig gefeiert am Hofe zu Versailles. Auf Masken- und Perückenbällen wird nicht nur zu barocker Musik getanzt, es wird auch wild gerockt, denn Boccherinis Menuett wird ganz plötzlich von modernen Rhythmen abgelöst. (Musikarrangement: Eduardo Beochat). Einer der vielen Höhepunkte ist der leidenschaftliche Liebes-Pas-de-deux von Christina Uta als Madame Dubarry und Josef Vesely als Ludwig XV. Kristina Kantsel und Kate Watson stolzieren als überhebliche, böse Tanten über die Bühne. Vladislav Koltsov darf als schwacher, stets zaudernder Gemahl von Marie Antoinette seinen Depressionen Ausdruck verleihen. Überragend Yoshito Kinoshita, der sprunggewaltige Neuzugang aus Japan.
Die Ausstattung lag einmal mehr in den bewährten Händen von Dorin Gal. Die glänzenden Türme sind verschiebbar und vermögen sowohl Enge als auch Weite auszudrücken. Erfrischend frech die entzückenden, kurzen Barockkostümchen der Tänzerinnen. Projizierte Videos stellen einen Bezug zur Gegenwart dar. (Echtzeitfilm – Peter und Ursula Schreiner).
Der rundum gelungene Ballettabend begeistert mit wunderbarer Musik, hinreißenden Gruppenszenen, phantastischen Solos und beeindruckenden Pas de deux. Standing Ovations – in Salzburg eher eine Seltenheit – waren der Dank. Zufriedene Gesichter auf der Bühne und im Zuschauerraum. Ein einzigartiger Ballettabend, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
„Marie Antoinette“ – Ballett von Peter Breuer. Idee/Libretto: Peter Breuer/Maren Zimmermann. Choreographie: Peter Breuer. Ausstattung: Dorin Gal. Musikarrangement: Eduardo Boechat. Videoprojektionen: Echtzeitfilm Wien. Gestaltung/Herstellung: Peter und Ursula Schreiner. Dramaturgie: Maren Zimmermann. Mit: Anna Yanchuk, Vladislav Koltsov, Josef Vesely, Christina Uta, Kate Watson, Kristina Kantsel, Eriko Abe, Asher Smith, Yoshito Kinoshita, José Flaviano de Mesquita Junior, Naiara de Matos, Herick Morerira. Fotos: SLT: Jürgen Frahm, Brigitte Haid
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