
Autor: António Lobo Antunes
Titel: Am anderen Ufer des Meeres – Roman
Aus dem Portugiesischen: Maralde Meyer-Minnemann
ISBN: 978-3-630-87735-8
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
Erschienen: 6.11.2024
Klappentext:
In seinem neuen Roman begibt sich Weltliterat António Lobo Antunes an die Anfänge des portugiesischen Kolonialkriegs gegen Angola und zeichnet in kunstvoll überbordender Sprache ein gnadenloses Porträt von drei vereinsamten Menschen.
Im Januar 1961 protestieren die Arbeiter der Baumwollplantagen in der Baixa do Cassanje für bessere Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung, doch schon kurze Zeit später wird der Aufstand vom portugiesischen Militär äußerst brutal niedergeschlagen. Es sind diese Ereignisse, auf die die drei Protagonisten in »Am anderen Ufer des Meeres« zurückschauen – ein hochrangiger Soldat, ein Bezirksverwalter und die Tochter eines Plantagenbesitzers.

Rezension von Anni Lemberger
1975 wurde Angola von der Abhängigkeit Portugals als Kolonialmacht befreit. Damit endete ein Prozess, der 1961 mit dem „Baumwollaufstand“ begann. Am Anfang vom Ende der europäischen Knechtschaft setzt dieser Roman an.
Die Protagonisten blicken in einer Rückschau auf ihr Leben und den Aufstand der „versklavten Pretos und Pretas“. Diese Rückschau beleuchtet patriarchale Strukturen, in denen sexualisierte Gewalt gegen Frauen sowohl von den Besatzern als auch von Ureinwohnern in Angola ausgeübt wurde.
In den Blitzlichtern des Erinnerns offenbaren sich nach und nach tiefere Einblicke in eine ungeahnte Spirale der Gewalt und eine gleichzeitig unerfüllte Sehnsucht nach Glück.
Ein ungewöhnlicher Roman, der sich an den Erinnerungen von drei Menschen orientiert.
Die Protagonisten sind eine Frau und zwei Männer: Während die Frau als Kind eines Plantagenbesitzers in Baixa do Cassanje geboren wird, wandern die beiden Männer aus Portugal nach Angola aus, weil sie sich dort durch den Baumwollanbau großen Reichtum erhoffen.
Der Autor erzählt die Geschichten der Protagonisten parallel, ohne dass sie sich wirklich berühren. Die Erinnerungen werden sprunghaft, rotierend und sich häufig wiederholend dargestellt.
Antunes wechselt regelmäßig in den Erinnerungen seiner Protagonisten zwischen behüteter Kindheit und Kriegsgrausamkeit. Er springt zwischen Lissabon, dem einen Ufer des Meeres, und Angola, dem anderen Ufer, hin und her.
Ein Roman, geprägt von Rassismus, sexistischer Gewalt und der Trauer über unerfüllte Träume, die die Erinnernden einsam ans Lebensende geführt haben. Gleichzeitig ist es ein Buch, das durch seine sprunghaften und wiederkehrenden Erinnerungen schwer zu lesen und zu verfolgen ist. Die eigentliche Handlung, die sich auf die Versklavung und Unterdrückung der Ureinwohner Angolas konzentriert, wird in kurzen Textbausteinen zwischen den Erinnerungen gefunden und ist durch die unverblümte Grausamkeit teils schwer auszuhalten.
Irritierend ist die glorifizierte Darstellung Portugals, das zu der beschriebenen Zeit eine grausame Diktatur war und für die Kolonialisierung Angolas verantwortlich ist.
Das feine Wortspiel des Autors ist besonders und einzigartig. Das Lesen erfordert jedoch besondere Aufmerksamkeit und häufige Zuhilfenahme des Glossars, um die Botschaft zu verstehen.
Als ich erkannte, dass es sich nicht um eine chronologisch ablaufende Handlung, sondern um traumatische, verstörende und kreisende Erinnerungen handelt, begann mich das Buch zu faszinieren, da es einen tiefen Blick in die Seelen der Protagonisten ermöglicht.

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