„Tartuffe“ – die ungeile Geilheit

Tartuffe

Tartuffe | Alle Fotos: Mozarteum - Magdalena Hofer

Studierende des Abschlussjahrgangs Schauspiel 2024 am Thomas Bernhard Institut bringen eine Neuinterpretation von Molières Klassiker zur Aufführung. Der Kölner Musikautor PeterLicht hat den Text „zerstäubt“ und „zerrieben“ und dann in die Gegenwart geschleudert. Ein turbulenter Theaterabend, ein grandioser Mix aus Text, Musik, Pop, Theater, sozialer Skulptur und Kapitalismus. Das vorwiegend junge Publikum im Theater im Kunstquartier tobte bei der Premiere am 20. April 2023 vor Begeisterung.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

„Ich enter the stage right now“, haucht Elmire, die Herrin des Hauses, ins Mikrofon. Ihr Mann, der mächtige Orgon, kontert selbstbewusst: „Ich bin der Orgi, alle tanzen um mein Licht.“ Doch ist hier wirklich alles okay? Ist die große Freiheit nicht erfüllt von einer großen Leere? Da muss es doch noch etwas anderes geben, an das man glauben kann. Die Rettung naht in Gestalt eines Gurus. Der anfangs noch zurückhaltende, schüchterne Tüffi mutiert schließlich zum Sex-Schamanen. Dass ihm Mariane, die entzückende Tochter des Hauses, versprochen wird, reicht ihm nicht, er will auch Orgons Frau Elmire „kontextualisieren“. Ein Seminar in Nacktanzügen soll Schwung in Orgons „connectete soziale Skulptur“ bringen. Doch „Tüffis School of Ausstülpung und innerem Frieden“ erweist sich als großer Schwindel.

Die Studierenden zeigen Mut zur Hässlichkeit. So amüsiert Esther Berkel als Dienerin Dorine mit ausgestopften Backen und dümmlich dreistem Blick, dem  aber die Verschlagenheit anzusehen ist. Annalisa Hohl gibt den großen Orgon mit enormer Power. Dieser hat genug davon, ein „Okay-Bürger“ zu sein, und das Publikum bekommt seine Wut zu spüren. Für die nötige Nähe sorgen drei freigehaltene Plätze in der ersten Reihe. Entzückend Jonin Arthur Herzig als liebreizende, schüchterne Mariane. Alexander Smirzitz kann sich als schwächlicher Cléante nicht gegen den mächtigen Orgon durchsetzen. Marie Eick-Kerssenbrock überzeugt als elegante, sehr adrette Elmire. Martin Petzenhammer darf als Herr Frau Pernelle auftreten, die Zuordnung des Geschlechts bleibt dem Publikum überlassen. Benjamin Viziotis hat die Truppe als charismatischer Tüffi voll im Griff. Die ganze Familie tanzt nach seiner Pfeife und muss sich in grässliche Nacktanzüge zwängen,  um so die Freiheit richtig genießen zu können.

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