Triumphaler Auftakt nackter musikalischer Tatsachen

Was haben Köche und Arrangeure gemeinsam? Sie wissen beide, dass es keine leichte Aufgabe ist, eine kulturelle Synthese zu erreichen. Was auf dem Papier gut aussieht, ist in der Praxis schwer zu realisieren. Es erfordert zusätzliche Anstrengung und Eindringlichkeit, eine engagierte Chuzpe, die sich durch das gesamte Menü – Verzeihung – durch das gesamte Konzert zieht. Das kann schiefgehen, wenn‘s aber klappt, dann ist der Genuss übergroß.

Leo Fellinger

Von Leo Fellinger

Einer, dem es gelungen ist, ist Richard Griesfelder, der ein lang geplantes und (pandemiebedingt) oft verschobenes Debüt am 12. Mai im Emailwerk Seekirchen durchgezogen hat. Und wie! Die Musik war magisch. Innovative und komplexe Gesangs-Arrangements, auf die Bühne gebracht von 18 kraftvollen Stimmen, die sich nahtlos und wie selbstverständlich ineinander fügten, brachten des ausverkauften Saal zum Kochen. Unabhängig davon, wo man saß, konnte man die Aufregung in der Luft spüren.

Wie eine Big Band kann auch ein Vokalensemble allein durch die Größe seines Klangs erfolgreich sein. Aber wenn eine Gesangsgruppe so viel Kunstfertigkeit und Raffinesse zeigt wie Naked Notes, ist das Erlebnis besonders erfrischend. Der Chor verwendet Arrangements, die alle harmonischen Möglichkeiten der 18 Stimmen voll ausschöpfen. Die Mitglieder bestimmen die Rhythmen mit perkussiven Klängen, während andere die Textphrasen in raffiniertesten Arrangements wiedergeben. Dazu stellen herausragende Solisten die Assoziationen zu den Pop-Originalen her. Reiche, verwickelte Akkorde verleihen dem Ganzen eine selten gehörte emotionale Tiefe. Eine sparsame, aber eben dadurch so effektive Choreografie und ein umwerfendes Outfit, bei dem es nur zwei Regeln gibt – Schwarz und Gold, alles andere ist frei – machen das Konzert auch optisch zu einem besonderen Erlebnis.

Spätestens nach der dritten Nummer war zu erkennen: Naked Notes ist eine musikalische Macht, mit der man rechnen muss. Man erfährt eine Explosion von musikalischem Genuss, kreativer Genialität, stimmlicher Exzellenz und einer Menge Spaß, ansteckend und mitreißend. Was bedeutet es, wenn Menschen gemeinsam Musik machen?  Es schafft Gemeinschaft, berührt die Emotionen und hat eine transformierende Wirkung. Die Freude, die die Sängerinnen und Sänger bei diesem Konzert in die Musik steckten, kann man einfach nicht vortäuschen. Sie stand in ihren Augen und erhellte ihr Lächeln. Man konnte sie in ihren Stimmen hören und in ihren Tanzbewegungen sehen. Und es war mörderisch ansteckend, denn das Publikum wurde durch die ständige Zufuhr perfekt arrangierter Pop-Klassiker förmlich mitgerissen.

Und das hört sich an wie ein Who ist Who der internationalen Pop- und Jazzgeschichte: Von “Wannabe” von den Spice Girls über den “Uptown Funk” von Bruno Mars (wo es bereits einen großartigen Videoclip von Naked Notes gibt: https://www.youtube.com/watch?v=BNot3QK2J7I) zurück in die 30er Jahre zur “Tuxedo Junction”, die mit Glenn Miller ein Welthit wurde, dann von den 60ern mit “Chain of Fools” von Aretha Franklin weiter in die 70er mit einem genialen Abba-Medley, zurück in die Jetzt-Zeit mit Billie Eilish “Bad Guy”. Auch Michael Jackson kam zu Wort mit “Bad”, in dem der Arrangeur aber noch 4 weitere Songs vom Großmeister versteckt hat. Das ist nur ein Auszug aus der umfangreichen Playlist, die letztlich unmikrofoniert an der Bühnenkante mit dem Welthit “Smile” endete. Das Ergebnis: Verdiente Standing Ovations für eine großartige A-Cappella-Nacht.

Aber: Der wahre Meister des Vokalharmonie-Erlebnisses war und ist Richard Griesfelder. Ein hochkreativer Alleskönner, der neben der Kenntnis der Tonumfänge und Machbarkeiten aller einzelnen Stimmen – und wie sich deren Sounds mischen oder eben auch nicht – über das Wichtigste verfügt: die Vorstellungskraft, wie der fertige Song am Ende klingen wird. Erst wenn er dies innerlich hört, bringt er ihn zu Papier. Für ihn muss dieser triumphale Auftakt einer Chor-Karriere so etwas gewesen sein wie die erste Kostprobe eines selbstkreierten Menüs, von dem man in diesem Moment erkennt: Ja, das ist es! Und wer Richard Griesfelder kennt, weiß: Das wird noch besser. Was man sich aber nach diesem Debüt-Konzert nur schwer vorstellen kann…. 

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