„Jenny Jannowitz oder Der Engel des Todes“

Gefangen im Hamsterrad

Das OFF Theater, Spezialist für rasante und innovative Theaterstücke, bringt Michel Decars mit dem Kleist-Förderpreis ausgezeichnete Tragikomödie in der Regie von Alex Linse zur Salzburger Erstaufführung. Die aberwitzige Farce über die Schnelllebigkeit der modernen Arbeitswelt unterhielt das Publikum am 13. Mai 2023 bestens.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Karlo Kollmar stellt am 21. März fest, dass er den ganzen Winter verschlafen hat. „Zu spät, zu spät, zu spät!“ dröhnt es dem IT-Spezialisten in den Ohren, als er mit der Straßenbahn in seine Firma fährt. Wie konnte ihm nur das passieren, wo er immer so korrekt ist? Doch scheinbar hat ihn hier niemand vermisst. Sein Name wurde zwar geändert, denn Carlo Collmar schaut eindeutig besser aus.

Sein Chef, Doktor Pappeldorn, schickt ihn gleich wieder nach Hause, er solle sich ruhig noch etwas ausruhen. Auch seiner Freundin, deren Namen er vergessen hat, war es nun Sabine oder Sybille, ist er nicht abgegangen.

Nur seine Mutter, die sich in Indien von einem Masseur verwöhnen lässt, nervt ein bisschen. Sie will nur noch mit dem Vornamen angesprochen werden und jammert ständig: „Warum rufst du mich nicht an?“ Mit seinem besten Freund Oliver, einem wirklich schlauen Fuchs, der sich neuerdings mit Zeitökonomie beschäftigt, versucht er sich erfolglos beim Tennisspiel zu entspannen.

Doch das Rad dreht sich rasend schnell und plötzlich ist er 32, hat schon überall auf der Welt gearbeitet und will nun endlich kündigen. Er hat die Nase voll von den vielen Versetzungen. Leider funktioniert das aber nicht, denn er hat ja keine Festanstellung. Wenn ihm der ganze Stress zu viel wird und er glaubt verrückt zu werden, kann es schon vorkommen, dass er am Dach eines Hochhauses steht oder einfach mitten auf der Straße liegt. Dann allerdings erscheint Jenny Jannowitz und versteht es, ihn zu beruhigen.

Jakob Kücher gibt den armen, gestressten IT-ler. Zwar fassungslos, doch relativ unaufgeregt lässt er sich durchs Leben treiben. Ihm wird aber auch wirklich viel zugemutet. Anja Clementi, Diana Paul und Tom Pfertner setzen ihm in ständig wechselnden Rollen zu. Hüte, Haarreifen mit Mascherl und Zigarren sind dabei äußerst hilfreich. Nur der Auftritt von Jenny Szabo als Todesengel schenkt ihm ein paar ruhige Minuten. Anja Clementi befindet sich als seine Mutter auf einem absoluten Egotrip, bei ihr scheint das Streben nach Selbstverwirklichung bestens zu funktionieren.

Alex Linse hat die irrwitzige Groteske mit enormen Tempo und exaktem Timing inszeniert. Die fast leere Bühne mit einem Podest, unter dem man Verschwinden und wieder Auftauchen kann, bietet genug Platz für schnelle Wechsel, ja sogar für ein mitreißendes Tennismatch. Ein Abend, der das Publikum in eine Beschleunigungsspirale versetzt, aus der es hoffentlich wieder herausfinden wird.

„Jenny Jannowitz oder Der Engel des Todes“ – Salzburger Erstaufführung. Schauspiel von Michel Decar. Regie: Alex Linse. Ausstattung: Lara Brandstätter. Bühnenbild und Bühnenbau: Alex Linse, Jonas Meyer-Wegener. Mit: Jakob Kücher, Jenny Szabo, Anja Clementi, Diana Paul und Tom Pfertner. Fotos: OFF/ © Taro Ebihara

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