Salzburg. Im Schatten.

Markus Lüpertz - Mozart

Markus Lüpertz - Mozart - Salzburg Foundation | Foto: Karl Traintinger|

Nun. Die gute Nachricht zuerst: Der Gemeinderat der Stadt Salzburg hat dem Ansinnen der FPÖ, die Stiftungen der Salzburg Foundation aus dem Stadtbild zu entfernen, eine klare Absage erteilt. Und dennoch. Mir bleibt mehr als ein fader Beigeschmack.

Von Rochus Gratzfeld

Es fröstelt mich, wenn ich die Plakate der FPÖ sehe, in denen zeitgenössische Kunst an den Pranger gestellt wird. Wenn es auf diesen Plakaten heißt „Weg mit dem Krempel“. Wenn damit gemeint sind die Werke international anerkannter zeitgenössischer Künstler.

Nehmen wir Anselm Kiefer. Im Laufe der Jahre 1969-1992 befassen sich seine Werke mit dem „Deutschen“, dem „Germanischen“ – Resurrexit, 1973, To the unknown painter / Dem unbekannten Maler, 1982, Grab des unbekannten Malers, 1981, Athanor, 1983, Parsifal, 1973. Aber Kiefer beginnt auch eins seiner wichtigsten Themen einzuführen, die jüdische Religion, und genauer genommen, die Kabbala: Lilith-Serien, Emanation, 1984, Tsim Tsum, 1991, Sephirot, 1990 usw. Dazu kommen historische Sujets, die dem Alten Testament entnommen sind: Auszug aus Ägypten, 1984, Durchzug durch das Rote Meer, 1985, Aaron, 1985, Die Ordnung der Engel, 1985-87…

Weiss Herr Dr. Karl Schnell um diese Fakten? Oder sind es gerade diese Fakten, derentwegen Herr Dr. Karl Schnell den Pavillion verbannen möchte?

Mich fröstelt, wenn diese sogenannte „Heimatpartei“ – Daham statt Islam – unter lokaler Führung eines Herrn Dr. Karl Helikopter-Schnell Unterschriften sammelt gegen Kunst im öffentlichen Raum der Stadt.
Erinnerungen werden wach in mir an eine Zeit, die ich zum Glück als Zeuge nicht erleben musste. Sehr wohl aber als Erbe. Die mein Leben, mein Verständnis von Kultur und Unkultur, von Macht und Machtmissbrauch, von Toleranz und Intoleranz nachhaltig beeinflusst hat.

Im Schatten der Mozartkugel. So lautet der Titel eines sehr empfehlenswerten Reiseführers durch die „Braune Typografie“ Salzburgs. Susanne Rolinek, Gerald Lehner und Christian Strasser haben das Buch, welches im Czernin Verlag erschienen ist, verfasst. Auf Seite 19 findet sich das Kapitel: GEIST IM FEUER. “Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen” (Heinrich Heine). Auf dem Residenzplatz fand am 30. April 1938 eine große Bücherverbrennung statt. Die einzige in der damaligen Ostmark. Und gleich nebenan wurden wenig später Menschen von der SS gefoltert, Menschen, die anderer Meinung waren. Die nicht ins System passten. Nicht ins Gedanken(un)gut.

2011. Der Krempel muss weg. Gemeint ist Kunst, die dem Verständnis braunen Gedanken(un)gutes nicht entspricht. Heute wird diese Kunst als “Krempel” von sich perverserweise “Freiheitliche” nennenden bezeichnet.

Vielleicht schon bald wieder als “Entartete Kunst”?

Rochus Gratzfeld in der Dorfzeitung
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Literaturtipp:
Susanne Rolinek, Gerhard Lehner, Christian Strasser: Im Schatten der Mozartkugel >


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Dorfladen

3 Kommentare zu "Salzburg. Im Schatten."

  1. Ich als Künstler kann die Meinung von Herrn Rochus Gratzfeld zu diesem Bericht nicht ganz teilen. Aber es gibt ja die Meinungsfreiheit, daher ist seine Meinung völlig legitim. Als Künstler beschäftige ich mich schon seit über 28 Jahren mit diesem Thema, was ich künstlerisch mache. Daher kann ich nur sagen, was heute Gut ist, ist morgen vielleicht schon schlecht – so auch in der Kunst.

    Vor fast 30 Jahren wurde ich in Salzburg bzw. in Österreich mit zahlreichen Preisen überhäuft. Aber als Österreich dann zur EU kam, wurde ich als Künstler mit der gleichen Kunst danach in der Stadt Salzburg bei einer Ausstellung politisch zensuriert. Was für mich als Künstler völlig klar war, wer von wem Angst hat das die Wahrheit nicht ans Tageslicht kommt. Das ist auch in den Printmedien seit längerer Zeit so. Das alles macht es für mich als Künstler erst interessant meinem Thema sich anzunehmen um aufzuzeigen, wo andere wegschauen – ja bewusst wegschauen um ja keine Probleme zubekommen.

    Als Künstler muss man bei gewissen Themenbereich völlig unparteiisch sein, sonst ist man befangen in seiner Arbeit. Man muss mit jedem GUT reden können, in gleicher Augenhöhe bzw. auf geistigen Niveau sich bewegen, ohne den anderen gleich zu beleidigen, dass nenne ich Menschenwürde. Ich habe in all den Jahren gelernt, auch eine andere Meinung zu akzeptieren, was bei so manchen Menschen nicht immer der Fall ist. Heute gilt bei vielen nur noch EINE Meinung. Und das nenne ich geistig Entartete Kunst im 21. Jahrhundert, da brauchen wir nicht mehr auf die Zukunft zu warten – die gibt es bereits schon. Ich habe zu meinem künstlerischen Thema im Ausland mehr Erfolg als bei uns in Österreich – leider. Bei uns wird bewusst viel totgeschwiegen.
    Es gibt keine schlechte Kunst, sondern Kunst die nicht, oder noch nicht verstanden wird.

    Meint: Fingerprint on Art.

    Mit freundlichen Grüßen
    ÖKO -Maler
    Werner Reiter
    http://www.fingerprint-on-art.com

  2. ich würde mir von den anderen stadtparteien und vor allem vom bürgermeister klarere worte zu zeitgenössischer kunst erwarten. ich finds beschämend wie sich rote, schwarze und vor allem grüne wenig zu diesem thema äußern. ich erinnere an den umgang mit kontracom – das konservative salzburg hat gesiegt, kontrakom ist tot. ich erinnere an die gruppe gelitin, die aufregung um den bogen des triumphs – wie lächerlich sich ein bürgermister verhalten hat, wie er den konservativen gefolgt ist. wie soll eine stadt eine klare pro-position zu zeitgenössischer kunst entwickeln, wenn die gewählten vertreterInnen vor feigheit nur so zitter, sobald es widerspruch gibt. unklarheit nährt den boden der konservativen und braunen.

  3. Ich kann mich der Meinung von Rochus Gratzfeld nur anschließen. Beschämend sind aber nicht nur die bekannten Thesen der FPÖ, sondern vielmehr die beistimmenden Grunzlaute vieler, eigentlich in anderen politischen Lagern beheimateter (?) Mitbewohner der Kulturstadt Salzburg.

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