„Fluchtwege: Ein Stationendrama“ – ein Theater auf der Flucht

Das Salzburger Landestheater will das Thema „Fremdsein und Asyl in Österreich“ im Rahmen der Projektwoche „Fremde Heimat“ kritisch beleuchten. Zum Auftakt wurden am 4.Mai 2011 um 19 Uhr über zweihundert verunsicherte Asylanten (das Publikum) mit Bussen in das provisorische Erstaufnahmelager (Hauptschule, Schloßstraße 19, 5020 Salzburg) gebracht.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Der Weg in den Turnsaal wird von Polizisten bewacht. Die Ordner sprechen eine unbekannte Sprache, doch der Ton ist mürrisch und sehr unfreundlich. Wir werden in kleine Gruppen eingeteilt, bekommen eine Nummer auf die Brust geklebt und ein umfangreiches „Merkblatt über Pflichten und Rechte von Asylwerbern“ in die Hand gedrückt, mit der unmissverständlichen Aufforderung, das genauestens durchzulesen. Doch bereits nach einem Absatz hat man genug von dem schrecklichen Amtsdeutsch und gibt auf. Dann beginnt der zermürbende Marsch von einer Station zur nächsten. Während der ärztlichen Untersuchung liest Shantia Ullman vom Salzburger Landestheater Texte über Folterungen und Scheinhinrichtungen, die Gruppe schließt sich immer enger zusammen, das Grauen wächst. Etwas freundlicher geht es bei der Caritas zu, denn da gibt es Tee, ein trockenes Keks und ein Plastiksackerl mit Zahnbürste und Einwegrasierer. Doch leider ist Hinsetzen streng verboten. Das Abnehmen der Fingerabdrücke ist sehr realistisch und beängstigend, besonders da Britta Bayer und Ulrike Walther die Prozedur mit einer Lesung begleiten, die uns Asylanten jede Hoffnung nimmt, denn Leserkommentare können sehr grausam sein. Beim Fotografen werden wir unfreundlich herumkommandiert, auf einem Monitor läuft eine Dokumentation über Einwanderer.

Dann ist es endlich so weit: Es folgt die Erstbefragung. Eine verängstigte junge Frau wird von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit Hilfe eines Dolmetschers interviewt. Es ist ein Flüchtling aus Tschetschenien, deren Mann von den Rebellen ermordet wurde und die nun selbst bedroht wird. Die Behörde ist vor allem an den Fluchthelfern interessiert, doch die sind anonym geblieben. Den krönenden Abschluss dieser Odyssee der Asylanten bildet die Befragung durch eine Referentin des Bundesasylamts, denn da wird es wirklich ernst, da wird jedes Wort auf die Waagschale gelegt. Die Dolmetscherin wirkt zwar  kompetent, doch auch leicht überheblich und merkt nicht, wie sie die Asylantin überfordert. Eine absolut nervtötende Befragung, deren Sinn und Zweck oft nicht durchschaubar ist. Die Verzweiflung ist greifbar, das Publikum sichtlich berührt. Eines ist uns allen klar geworden: In diese Situation möchte niemand von uns kommen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es sehr emotional zu, denn Frau Dr. Beatrix Nowotny, Leiterin der Außenstelle des Bundesasylamts Salzburg, war mit der Präsentation nicht ganz einverstanden. Astrid Großgasteiger (Inszenierung) und Angela Beyerlein (Dramaturgie) vertraten jedoch die Auffassung, dass eine gewisse theatralische Überspitzung notwendig gewesen sei, um das Publikum zu sensibilisieren, sie wollten „Einfühlungsvermögen schaffen“. Sie hätten viel recherchiert und auch viele Protokolle von Erstaufnahmeverfahren gelesen und dies alles eingebracht.

Unter Mithilfe von 30 Laiendarstellern, die mit viel Engagement und Spielfreude dieses aufwändige Stationendrama mitgestalteten, ist es dem Salzburger Landestheater auf beeindruckende Weise gelungen, dem Publikum die Ängste eines Asylwerbers nahe zu bringen. Ein ganz spezieller Abend, der auf die weiteren Veranstaltungen im Rahmen dieser Projektwoche neugierig macht.

„Fluchtwege: Ein Stationendrama“ / Inszenierung: Astrid Großgasteiger / Dramaturgie: Angela Beyerlein / Mit Britta Bayer, Anna Unterberger, Shantia Ullman und Ulrike Walther vom Salzburger Landestheater sowie 30 Laiendarstellern / Foto: Landestheater Salzburg

Podiumsdiskussion: Mag. Anja Hagenauer (Bereichssprecherin für Integration, Asylpolitik, Kultur), Dr. Beatrix Nowotny ( Leiterin Außenstelle Bundesasylamt Salzburg), Abdullah Osman (Chefredakteur Talk Together), Astrid Großgasteiger (Regisseurin), Angela Beyerlein (Moderatorin)

 

 

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