August Strindbergs „Naturalistisches Trauerspiel“ feierte am 11.11.2011 Premiere. Die Geschichte vom adeligen Fräulein Julie, das in einer nordischen Mittsommernacht dem Dienstboten Jean näherkommt, wurde von Agnessa Nefjodov als Spiel im Spiel in Szene gesetzt.

Von Elisabeth Pichler
Ein junges Mädchen und ein etwas reiferer Mann streiten sich wie kleine Kinder um eine Spieluhr. Der Kampf um dieses Ding der Begierde wird immer intensiver, abwechselnd halten sie es in Händen und schaffen es, den anderen damit zu manipulieren. Wie Marionetten an unsichtbaren Fäden hüpfen und tanzen die beiden über die Bühne und genießen die gegenseitige Anziehungskraft bzw. Abhängigkeit. Als das Spiel sie zu langweilen beginnt, erinnern sie sich an die Geschichte von Fräulein Julie, der Tochter des Grafen, und Jean, dem Dienstboten. Nach und nach schlüpfen sie in diese Rollen und wir sind bei Strindbergs Drama gelandet.
Auf der leeren Bühne mit Holzfußboden und ein paar Holzbänken ist von der romantischen Stimmung einer Mittsommernacht, des „Festes der unschuldigen Spiele“, wenig zu spüren. Das passt aber zu der eigenartigen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Julie, eine selbstbewusste junge Frau, kokettiert verführerisch mit dem Diener Jean, der etwas unbeholfen ihre Annäherungsversuche abwehrt. Als Jean seinen Respekt vor der Herrschaft schließlich ablegt, kommt ein berechnender, brutaler Mann zum Vorschein. Julie versucht, ihre Macht mit Hilfe der Spieluhr zurückzugewinnen, doch der Zauber ist vorbei.
Christiani Wetter überzeugt in der Rolle der leicht neurotischen Julie. Man sieht ihr an, wie sie dieses Spiel mit dem Feuer genießt. Ihr dramatisches Ende, das nicht so recht zu dieser Figur passen will, wird nur angedeutet. Christoph Wieschke spielt den Diener Jean, der erst etwas einfältig und langsam wirkt, dann aber umso berechnender handelt.
Unstandesgemäße Beziehungen sind heute zwar gut für Schlagzeilen in Boulevardblättern, doch sind die Folgen nicht so verhängnisvoll wie im ausgehenden 19. Jahrhundert. Agnessa Nefjodov hat in dieser Inszenierung den Fokus auf die Gefahren eines unbedachten Spiels mit der Liebe gerichtet und daran können auch heute noch Menschen zerbrechen.
„Fräulein Julie“ – Naturalistisches Trauerspiel von August Strindberg. Deutsche Fassung von Christl Hildebrandt. Inszenierung: Agnessa Nefjodov. Ausstattung: Eva Musil. Dramaturgie: Tobias Hell. Mit: Christiani Wetter und Christoph Wieschke. Fotos: SLT/ Frahm, Canaval

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