„Pterodactylus“ – eine bitterböse Familiengeschichte

Tim-Oberließen in Pterodactylus

Der amerikanische Autor Nicky Silver zieht in dieser schwarzen Komödie Parallelen zwischen einer ausgestorbenen Sauriergattung und der Familie Duncan. In dieser gar nicht netten Familie ist jeder nur mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, Kommunikation findet nicht statt. Premiere dieses zutiefst beeindruckenden Stückes war am 14.1.2012.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

In dieser Familie läuft so einiges schief. Warum hört Grace Duncan eigentlich nie zu? Die Tochter versucht, ihr ihren Verlobten vorzustellen, und der nach fünf Jahren heimgekehrte Sohn verkündet, dass er Aids habe. Das interessiert die Mutter herzlich wenig, doch die Partys, die sie zu veranstalten hat, ob nun zur bevorstehenden Hochzeit der Tochter oder zur befürchteten Beerdigung ihres Sohnes, bedeuten für sie jede Menge Stress, der nur mit der nötigen Portion Alkohol zu schaffen sein wird.

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Da der zukünftige Schwiegersohn nicht standesgemäß ist für die feine Direktorengattin, wird er kurzerhand als Dienstmädchen eingestellt. Dieser fühlt sich verdächtig wohl im kurzen schwarzen Röckchen mit der kessen weißen Rüschenschürze. Tochter Emma hat einen sehr klugen Weg gewählt, um diesem Irrsinn zu entkommen, sie verdrängt alles und flüchtet sich in die Vergesslichkeit, nur eines ist ihr bewusst: „Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.“ Da niemand in dieser Familie richtig zuhören kann, wenden sich die Protagonisten immer wieder ans Publikum, doch auch hier ist keine Hilfe zu erwarten.

Tim Oberließen als aidskranker Sohn scheint noch am stabilsten zu sein, er gräbt im Garten das Skelett eines Dinosauriers aus und versucht es zu rekonstruieren, „als Mahnmal der Vergänglichkeit allen irdischen Seins“. Kein Wunder, dass sich da auch jede Menge Schmutz und Erde im eleganten Wohnzimmer anhäufen. Wenn Shantia Ullmann als seine zerstreute Schwester nicht weiterweiß, flüchtet sie sich in Asthmaanfälle oder wirft sich ein paar Tabletten ein. Axel Meinradt als Oberhaupt dieser Chaosfamilie will eigentlich nur seine Ruhe haben, doch auch er hat einige Leichen im Keller, die so nach und nach zum Vorschein kommen. Peter Marton als zukünftiger Schwiegersohn fühlt sich sichtlich wohl in der Rolle des Dienstmädchens und in seinem „tuntigen“ Outfit. Überragend aber ist Ulrike Walther als arrogante, egozentrische Mutter. Solange die Finanzen stimmen, ist für sie alles in Ordnung: „Andere Frauen kann ich ertragen, Armut nicht.“

Die ganz besondere Komik dieses Stückes liegt in der Art, wie Nicky Silver, Broadway-Autor des Jahres 2007, seine Figuren aneinander vorbeireden lässt. Jede von ihnen hat sich eine heile Scheinwelt aufgebaut, die Wirklichkeit will keine wahrhaben. Marco Dott hat diese vernichtende Farce mit einem äußerst spielfreudigen Ensemble in Szene gesetzt. Das Publikum wirkte betroffen, spendete dann aber stürmischen Applaus. Viel Stoff zum Nachdenken.

„Pterodactylus“ von Nicky Silver. Inszenierung: Marco Dott. Ausstattung: Manuela Weilguni. Dramaturgie: Angela Beyerlein. Mit: Tim Oberließen, Shantia Ullmann, Peter Marton, Ulrike Walther, Axel Meinhardt. Fotos: salzburger Landestheater/ Canaval

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