„Tape“ – von Stephen Belber in der ARGEkultur

Zehn Jahre nach ihrem High-School-Abschluss treffen drei ehemalige Schulkollegen in einem drittklassigen Motel aufeinander, um eine alte Rechnung zu begleichen. Was ist damals wirklich geschehen? Ein abgründiges, sehr raffiniertes Kammerspiel mit pointierten Dialogen und drei großartigen Schauspielern.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Chaos pur herrscht in diesem Zimmer, doch Vince scheint dies nicht zu stören, Hauptsache es ist genug Bier im Eisschrank und das Tütchen mit dem weißem Pulver in Reichweite. Als sein Jugendfreund Jon, ein aufstrebender jüdischer Filmemacher, auftaucht, scheint er sich ehrlich zu freuen. Unbekümmert erzählt er von seiner kürzlich in die Brüche gegangenen Beziehung. Seine Freundin habe ihn verlassen, weil sie ihn für ein „rücksichtsloses Arschloch mit gewalttätigen Neigungen“ gehalten habe.

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Die Stimmung beginnt zu kippen, als die Sprache auf Amy, ihre gemeinsame Freundin aus High-School-Zeiten, kommt. Plötzlich steht das Wort „Vergewaltigung“ im Raum und Vince versucht, mit zunehmender Brutalität und schließlich brachialer Gewalt, ein Geständnis zu erpressen. Wie wird Amy auf dieses „Tape“ reagieren? Wird sie die Entschuldigung von Jon annehmen?

Das Studio in der ARGEkultur eignet sich bestens für dieses intensive Kammerspiel, denn die Besucher erleben nicht nur die fast ekelerregende Unordnung, sondern auch die aufkommende Aggressivität hautnah mit. Jurij Diez brilliert als leicht cholerischer, simpel gestrickter Macho, der schwer unter gekränkter Eitelkeit leidet. Maximilian Pfnür als etwas verklemmter, überkorrekter Jungfilmer ist seinem Freund zwar intellektuell überlegen, doch setzen ihm dessen Verdächtigungen sichtlich zu. Christiane Warnecke als vermeintliches Opfer Amy erscheint, als sich die beiden Streithähne gerade am Boden wälzen. Leicht amüsiert, kühl und undurchsichtig präsentiert sie ihre Sicht auf die Ereignisse vor zehn Jahren.

Der Bühnenautor Stephen Belber, Jahrgang 1967, ist in der europäischen Theaterlandschaft noch weitgehend unbekannt. „Tape“ wurde 2000 in den USA uraufgeführt, dann verfilmt und kam 2011 erstmals am Deutschen Theater in Berlin auf die Bühne.

Die österreichische Erstaufführung fand am 25. Juni 2012 in der ARGEkultur in der Regie von Michael Kolnberger statt und wurde völlig zu Recht begeistert aufgenommen. Ein hochaktuelles, vielschichtiges Stück über sexuelle Gewalt, Schuldzuweisungen und Lebenslügen. Absolut sehenswert.

„Tape“ von Stephen Belber. ARGEkultur Theater. Eine Koveranstaltung mit Michael Kolnberger. Österreichische Erstaufführung. Produktion, Inszenierung, Dramaturgie: Michael Kolnberger. Mit: Maximilian Pfnür, Jurij Diez und Christiane Warnecke. Fotos: (c) Piet Six/ ARGEkultur

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