R. Lackinger: Kommt nach dem Neo-Liberalismus der Neo-Feudalismus?

60 Jahre ist es nun her, daß Frantz Fanon “Die Verdammten der Erde” schrieb. Wer hat es gelesen, wer hat seinen Sinn verstanden? Was solls? Wir Österreicher haben nie Kolonien gehabt in Afrika. Also kann man uns auch keine unsauberen Geschäfte mit korrupten Eliten Afrikas in unsere gut gewichsten Haferlschuhe und Goiserer schieben. Außerdem kommen wir braven Österreicher sowieso alle alle direkt in den Himmel!

Während mir nun der Begriff  “Neo-Kolonialismus” im Mund und im Hirnkastel herumrollt, greifen meine Gedanken etwas weiter aus und kommen zum Sturm auf die Bastille, an einem Julitag vor über zweihundert Jahren. Viele feudale Regimes sind seither gefallen und durch weniger “noble” Herrscher ersetzt worden. Es kam zu neuen Diktaturen, zum Kommunsimus, zum Sozialismus und sonstigen “Ismen”, die die Menschheit zu erfinden imstande war. Wir Österreicher hatten irgendwann den Bruno Kreisky und mindestens einen Betriebsrat pro Quadratmeter Fabriksboden.

Wenn auch neue Gesichter die Macht über- und neue Gesäße den Vorsitz eingenommen haben, die Methoden änderten sich kaum, oder nur unwesentlich. Wenn wir auch schon Fanon nicht gelesen haben, so doch George Orwell und seine “Animal Farm”  und wie alle jungen braven Österreicher den Kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry.

Wann wird der Mensch wirklich Neues lernen, und den nötigen Mut haben, Neues auszuführen; Oppression ist Unterdrückung, egal wer sie ausübt! In meiner Kapfenberger Jugendzeit litt ich unter dem roten Antiklerikalismus der Böhlerstadt und war als “Pfaffenbruder” verrufen, weil ich bei der KAJ war. Wenig später und bereits als Entwicklungshelfer, im öden Hinterland Nordostbrasiliens, war ich das schwarze Schaf, der Antichrist, weil ich es wagte, an der monastischen Hierarchie meines Projekts zu rütteln. Das boshafte Schicksal hatte mich zu einer brasilianischen Filiale des Schlierbacher Zisterzienserordens gebracht, um jungen Semianalfabeten die Schlosserei, Dreherei und Schweisserei beizubringen. Ich rechnete damals mit allerlei drittweltlicher Unbill und robinsonartigen Schwierigkeiten. Mit einem überaus autoritären Abt aus dem Innviertel aber nicht. Die Zwangsjacke hatte nur die Farbe gewechselt.

Binnen weniger Jahre erlebte ich sowohl den Sozialismus, in einer alpenländischen Stadt, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts den Spitznamen “DDR Österreichs” trug, als auch eine feudale Gesellschaft in Bahia, und zwar als einziger “Städter”, da alle anderen im Projekt arbeitenden Österreicher – Mönche und Entwicklungshelfer – vom Land kamen, und außer mir die einfache Hierarchie eines Bauernhofes gewohnt waren.

In Südamerika, genau genommen in Brasilien lebte ich bis 1985 unter einem Militärregime. Danach erlebte ich Versuche der Demokratie und seit Anfang des Jahrtausends regiert mehr oder weniger die Arbeiterpartei und deren Konsorten. Inzwischen gab es in anderen Ländern Lateinamerikas Diktaturen, diese wurden durch mehr oder weniger wackelige Demokratien abgelöst. Wackelig, weil unsereiner den Druck der Mächtigen spürt, die scheinbar nur vorübergehend und ungern das Zepter vermietet haben.

Als unlängst der Präsident von Paraguay im Schnellverfahren und binnen weniger als 24 Stunden “putschartig” der Macht enthoben wurde, erwachte ich, aus meinem Mund drang das Wort: “Neo-Feudalismus”, und ich sah, wo überall die Zaren veralterter Gesellschaftsmodelle am Ast ihrer legitimen Nachfahren sägten. Die vom Kandidaten der konservativen und korrupten PRI-Partei gewonnenen Präsidentschaftswahlen Mexikos bekräftigten dieses Gefühl.

Neben Paraguay´s “Ajatollahs” lügen die Medien Brasiliens und Argentiniens wie gedruckt, beklexen das Image linker Regimes, wie die von Venezuela, Bolivien, Ecuador, Nicarágua. War Barck Obama nichts weiter als ein “boi de piranha”, ein Ochse. der beim Überqueren eines Nebenflusses des Amazonas den Piranhas geopfert wird, damit die restliche Herde ungestört und vollständig das gegenüberliegende Ufer erreichen kann? Der Vergleich ist schlecht, um auszudrücken, wie mächtig die feudalen Herren weiterhin sind. Womöglich auf Grund der “schöngeistigen” Elite Lateinamerikas, von der Kraft des Geldes ganz zu schweigen.

Werden wir in absehbarer Zukunft den Neo-Feudalismus ertragen müssen? Wann löst Zürich Brüssel ab?

Reinhard Lackinger,
Salvador, Brasilien, 10. Juli 2012

 

Diesen Artikel empfehlen. Teilen mit:

Visits: 0

Dorfladen

Kommentar hinterlassen zu "R. Lackinger: Kommt nach dem Neo-Liberalismus der Neo-Feudalismus?"

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*