„New Creation“ – provozierende Nacktheit im republic

Der kanadische Choreograf Dave St-Pierre, der „Meister aller Extreme und Exzesse“, kennt auch in seiner neuesten Performance keine Tabus.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler
(Fotos: © Wolfgang Kirchner/ sommerszene)

Der Kreis seiner Bewunderer scheint in Salzburg eindeutig in der Überzahl zu sein, denn nur zwei Personen verließen während der Premiere am Donnerstag, dem 12. Juli, den Saal. Enthusiastischer Jubel für ein grandioses Bühnenspektakel und eine Truppe, die sich bis an die Schmerzgrenze verausgabt.

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Während das Publikum die Plätze einnimmt, schleichen auf der Bühne ein Mann und eine Frau gelangweilt herum. Schließlich öffnen sie einen Vorhang und dahinter befinden sich 20 nackte, geknebelte und gefesselte Engel, die vor Schmerz und Wut brüllen und toben. Als es ihnen gelingt, sich zu befreien, ist dieser Höllenlärm noch nicht zu Ende, denn nun stürzen sie sich auf die herumliegenden Requisiten. Sie streiten um Wasserflaschen, Kleidung, Farbtöpfe und Pfeile und benehmen sich wie kleine, unartige Kinder. Schließlich ziehen sie sich zufrieden zurück und überlassen dem Liebespaar die Bühne, das nun die Grenzen zwischen Zuneigung und Ablehnung auslotet.

Nach dieser kurzen Erholungspause geht es wieder stürmisch weiter. Tische mit einer Gummimatte werden aufgestellt und zu den Worten „This is the way you fall in love“ lassen sich die Damen synchron mit voller Wucht umfallen, während die Männer unter den Tischen hängen und ebenfalls immer wieder zu Boden krachen. Dass auch Engel ihre Probleme haben, wird in einem Selbstfindungsseminar für kleine Amors deutlich, denn sie beherrschen nicht alle das Spiel mit Pfeil und Bogen. Ob das der Grund für all die Liebesverwicklungen auf Erden ist?

Ich muss mich an dieser Stelle als absoluten Fan von Dave St-Pierre outen, denn sein selbstverständlicher Umgang mit Nacktheit und vor allem sein Sinn für Humor faszinieren mich immer wieder. Nachdem ich bereits einige seiner Stücke gesehen habe, weiß ich, dass die Nacktheit der Tänzerinnen und Tänzer anfangs zwar etwas schockierend wirkt, doch schon nach kurzer Zeit vergisst man die nackten Tatsachen. Es stehen absolut keine Models auf der Bühne und gerade die Unzulänglichkeiten haben etwas überaus Menschliches.

Während der Exzess die treibende Kraft ist, erinnert uns der Fehler daran, dass wir trotz allem Kreaturen aus Fleisch und Blut sind, die mit der Zeit welken.

Dave St-Pierre

Dave St-Pierre bedankte sich nach Ende der Vorstellung beim Veranstalter und beim Publikum und stellte uns die Tänzerinnen und Tänzer – nun in vornehmer Ballkleidung – einzeln namentlich vor, eine überaus sympathische Geste. Die 90-minütige kraftvolle Performance begeistert und verstört, lässt aber sicher nicht gleichgültig.

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Dorfladen

1 Kommentar zu "„New Creation“ – provozierende Nacktheit im republic"

  1. Rochus Gratzfeld Rochus Gratzfeld | 21. Juli 2012 um 11:36 |

    junghündin nutella hindert uns derzeit am ausgehen. die vorherigen performances dieser truppe hatten uns jedoch jedesmal begeistert. schön, durch diesen bericht jetzt auch ein wenig von dieser aufführung mitbekommen zu haben!

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