„Kein Licht“ – Wir hätten es wissen können

Sinikka Schubert, Harald Fröhlich, Ulrike Arp, Christiane Warnecke

Sinikka Schubert, Harald Fröhlich, Ulrike Arp, Christiane Warnecke

Elfriede Jelineks Theatertext wurde von Oliver Niehaus für das Schauspielhaus Salzburg bearbeitet und feierte hier am 7. November 2012 österreichische Erstaufführung. Ein alarmierendes, provokantes Stück, eine literarische Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima in Japan.

Von Elisabeth Pichler.

„Kein Licht“ entstand auf Anregung des Schauspiels Köln und wurde dort am 30. September 2011 in der Regie von Karin Beier uraufgeführt. Im Vorfeld der Salzburg-Premiere fand am 5. November im Säulenfoyer des Schauspielhauses ein Atelier-Gespräch der Universität Salzburg „Über die (Un-)Beherrschbarkeit der Technik“ statt. Dr. Manfred Mittermayer, Leiter des Literaturarchivs Salzburg, sowie Regisseur Oliver Niehaus gaben Einblicke in den schwierigen Prozess der Transformation eines Jelinek-Textes in eine Theateraufführung. Die Vorgabe waren zwei umfangreiche Textblöcke, verteilt auf zwei Personen (A und B), zwei Geiger, die als lebendige Leichen in einem kontaminierten Meer schwimmen. Der Super-GAU ist bereits eingetroffen und wird nun sprachlich nachvollzogen.

Das Bühnenbild (Barbara Steiner) wirkt hingegen vorerst recht idyllisch. Eine riesige Leinwand mit romantischem Bergpanorama, davor zwei barocke Sessel, nur ein zarter Kirschblütenzweig erinnert an Japan. Die vier Personen, die gut gelaunt die Bühne betreten, wirken durchaus lebendig. Per Post erhalten sie ihre Texte, sie öffnen die Kuverts, das Spiel kann beginnen. Rasch stellen sie fest, dass sie sich gegenseitig nicht mehr hören können. „Wieso spreche ich und keiner hört mich?“ Auch das Publikum hat seine liebe Mühe, denn die vier reden und schreien wild durcheinander und gegeneinander, die vielen Wiederholungen erleichtern jedoch das Verständnis. Bald wird klar, dass etwas Schreckliches passiert ist, statt zu hören beginnen die Protagonisten nun zu strahlen. In der zweiten Hälfte des Stückes kippt die Stimmung völlig. Der Vorhang, die idyllische Natur, fällt. Das Wasser strömt von der Decke. Eine trauernde Person macht ihrer grenzenlosen Wut und Enttäuschung, unterstützt von einem Chor in Maske, Luft.

Trotz massiver Kürzungen haben die Schauspieler gigantische Mengen an Text zu bewältigen. Während dieser im ersten Teil auf vier Personen verteilt und komplett auf Musik ausgerichtet ist, überwiegt im zweiten Teil die Sprache. Sinikka Schubert, die bereits am Landestheater Innsbruck in zwei Jelinek-Stücken begeisterte, lässt als trauernde Antigone erschauern. Ulrike Arp, Christiane Warnecke und Harald Fröhlich ergänzen grandios das Team der gehörlosen Untoten und begeistern nicht nur als Chor.

„Kein Licht“ ist ein gesellschaftskritisches Stück, das mit seiner Wortgewalt, den vielen – teils durchaus komischen – Assoziationen, seiner wütenden und verzweifelten Ironie unter die Haut geht. Dieser nicht funktionierende Dialog, der sich dem psychologischen Theater verweigert, soll verstören und er schafft es auch. Wir alle ahnen, dass die Technik unbeherrschbar geworden ist und die Natur dabei ist, zurückzuschlagen. Nachzulesen fast täglich in den Medien. Eine Österreich-Premiere, auf die das Schauspielhaus Salzburg stolz sein kann und die zu Recht vom Publikum bejubelt wurde.

„Kein Licht“ von Elfriede Jelinek. Österreichische Erstaufführung. Regie: Oliver Niehaus. Ausstattung: Barbara Steiner. Mit: Ulrike Arp, Harald Fröhlich, Sinikka Schubert, Christiane Warnecke. Fotos: Michael Klimt

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