„Zur schönen Aussicht“ – Unser neuer Gott: das liebe Geld

Zur schönen Aussicht

Ödön von Horváths bitterböse Komödie aus dem Jahre 1926 wurde erst 1969 in Graz uraufgeführt, da sie während des Nazi-Regimes nicht gespielt werden durfte und Inhalt und Charaktere auch nicht in die Nachkriegszeit passten. Heute ist das Stück über Werteverfall und wirtschaftliche Depression leider wieder hochaktuell. Premiere im Schauspielhaus Salzburg war am 27.2.2013.

Elisabeth Pichler.

Der barocke Rahmen, der das Bühnenbild umschließt, betont die Schäbigkeit des Hotels, das mit einer schönen Aussicht Werbung macht, doch vom Spannteppich bis zum Fliegengitter völlig verdreckt ist. Sogar die dunklen Gestalten, die sich hier herumtreiben, haben alle Dreck am Stecken. Als einzig zahlender Gast hat hier Ada Freifrau von Stetten das Sagen, rettet sie doch bereits seit fünf Monaten das Hotel vor dem drohenden Bankrott. Kein Wunder, dass sie Hoteldirektor Strasser, den Oberkellner Max und ihren Chauffeur Karl, den starken Herkules, wie ihre Sklaven behandelt. Ihr windiger Zwillingsbruder, Emanuel Freiherr von Stetten, eine Spielernatur, erscheint, um seine Schwester um Geld anzubetteln. Er passt ebenso wie Herr Müller, der Geldeintreiber einer Weinfirma, hervorragend zu diesen „korrupten Kreaturen“. Die gutgläubige Christine, ein Gast aus dem Vorjahr, deren Verhältnis mit Strasser nicht ohne Folgen geblieben ist, erscheint in dieser desillusionierten Gesellschaft „wie vom Mond importiert“. Um Strasser vor der drohenden Alimentenzahlung zu retten, verbünden sich die an Meineid und Verleumdung gewöhnten Herren. Christines Worte „Der liebe Gott hat mir geholfen“ haben sie wohl alle überhört.

Zur schönen Aussicht

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Ulrike Arp wirkt in der Rolle der Ada Freifrau von Stetten, „einer alten Ziege, die den ganzen Zirkus finanziert“, nach außen stark und bestimmend. Im Augenblick ihrer Demaskierung kommt ihre Zerbrechlichkeit zum Vorschein, ein berührend starker Moment voll unendlicher Traurigkeit. Im Gegensatz zu ihr verkörpert Katharina Pizzera als Christine die gutgläubige Unschuld, die von einer kalten Männerwelt zutiefst enttäuscht und gedemütigt wird. Verschlagen und bösartig gibt sich die perfide Männergesellschaft: Hoteldirektor Strasser (Antony Connor), Oberkellner Max (Albert Friedl), Chauffeur Karl (Simon Ahlborn), Geldeintreiber Müller (Marcus Marotte) sowie der spielsüchtige Baron (Olaf Salzer).

Zur schönen Aussicht

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Regisseur Peter Raffalt, der seit 2009 gemeinsam mit Annette Raffalt das Kinder- und Jugendprogramm des Burgtheaters, die „Junge Burg“, leitet hat Horváths grausame Komödie als tragikomische Groteske in Szene gesetzt. Die Musik von Matthias Jakisic sorgt für dezente, doch stilsichere Untermalung. Die großartige Ensembleleistung sowie das Leading-Team wurden bei der Premiere stürmisch gefeiert.

 „Zur schönen Aussicht“ – Komödie in drei Akten von Ödön von Horváth. Inszenierung: Peter Raffalt. Bühne: Vincent Mesnaritsch. Kostüme: Elke Gattinger. Musik: Matthias Jakisic. Mit: Albert Friedl, Simon Ahlborn, Marcus Marotte, Antony Connor, Olaf Salzer, Ulrike Arp, Katharina Pizzera. Fotos: Marco Riebler, Viedeo: Schauspielhaus

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