In Anton Tschechows Komödie steht die vergebliche Liebe im Vordergrund. All die bedauernswerten Geschöpfe, die sich auf einem zaristischen Landgut um die Jahrhundertwende langweilen, sind unglücklich verliebt.
Von Elisabeth Pichler
In ihrem Frust verstehen sie es hervorragend, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Premiere war am 6. April 2013 im Salzburger Landestheater.
Konstantin, ein angehender Schriftsteller, fiebert der Uraufführung seines neuen Stückes entgegen. Die Bühne am See ist aufgebaut, alles minutiös geplant, die Sommergäste werden erwartet. Als seine Mutter, eine gefeierte Schauspielerin, eintrifft, gibt sie zuerst eine Probe ihres überragenden Talents, erntet frenetischen Applaus und verunsichert so ihren sensiblen Sohn. Auch die Anwesenheit von Boris Trigorin, einem bereits arrivierten Schriftsteller, beunruhigt ihn.
Die Reaktionen und Zwischenrufe sind so niederschmetternd, dass Konstantin die Vorstellung abbricht und die Freiluftbühne wütend verlässt.
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Für die junge Nina, Konstantins große Liebe und die Hauptdarstellerin des eigenwilligen, die alten Theaterformen sprengenden Stückes, gibt es wohlwollende Worte von Boris. Nina fühlt sich geschmeichelt, hegt sie doch heimlich Gefühle für den großen Literaten. Sie beschließt, nach Moskau zu gehen, um Schauspielerin zu werden.
Sona MacDonald überzeugt in der Rolle der Arkadina mit theatralischem Temperament und gnadenlosem Egoismus. Allein die Existenz ihres Sohnes ist ihr ein Dorn im Auge, erinnert er sie doch ständig an ihr Alter.
Christoph Wieschke steht ihr in der Rolle des charakterlosen Schriftstellers Boris Trigorin in nichts nach, auch er nimmt all die unglücklichen Personen, die das Landgut bevölkern, kaum zur Kenntnis. Durchaus pragmatisch sieht Macha (Shantia Ullmann), die Tochter des Gutsverwalters, ihr Unglück. Da Konstantin ihre Liebe nicht einmal bemerkt, ehelicht sie den biederen Lehrer (Sebastian Fischer), damit sich wenigstens irgendetwas tut in ihrem Leben.
Sascha Oskar Weis steht als Arzt über den Dingen, er wird von den Frauen vergöttert, selbst Polina (Britta Bayer), die Frau des Gutsverwalters, verfolgt ihn mit ihrer Liebe. Nina (Claudia Carus) muss ihre Naivität, ihren Übermut und ihre Flucht teuer bezahlen. Konstantin (Peter Marton) leidet unter der mangelnden künstlerischen Anerkennung durch seine Mutter. Ihre ständigen Erniedrigungen treiben ihn zu einer Verzweiflungstat.
Die Bühne (Karl-Heinz Steck) wird von einer riesigen Plattform in extremer Schieflage beherrscht. Kleine Brettchen geben etwas Halt und können als Sitzgelegenheiten genutzt werden. Zwei Seile erleichtern den Aufstieg, helfen beim Abstieg, verhindern ein ungewolltes, aber ermöglichen ein gewolltes Abrutschen.
Carl Philip von Maldeghem hat Tschechows tragische Komödie über unglückliche, vom Leben enttäuschte Paare, als ein Panoptikum der menschlichen Unzulänglichkeiten in Szene gesetzt. Bewährte Ensemblemitglieder und eine grandiose Sona MacDonald als Gast bescherten dem Publikum einen anregenden Theaterabend. Genügend Stoff zum Nachdenken über die Tragik des scheiternden Menschen in einer saturierten Gesellschaft.
„Die Möwe“ – von Anton Tschechow. Inszenierung: Carl Philip von Maldeghem. Bühne: Karl-Heinz Steck. Kostüme: Alois Dollhäubl. Tangocoach: Peter Breuer. Dramaturgie: Friederike Bernau. Mit: Sona MacDonald, Peter Marton, Pavel Fieber, Claudia Carus, Axel Meinhardt, Britta Bayer, Shantia Ullmann, Christoph Wieschke, Sascha Oskar Weis, Sebastian Fischer, Felix Mayrhofer. Fotos: Christina Canaval. Video: Salzburger Landestheater
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