Die Memoiren der Sarah Bernhardt

Eine szenische Künstlerbiographie von John Murrell

Im Kleinen Theater in Schallmoos gab es ein Wiedersehen mit der großartigen Grande Dame des österreichischen Theaters, der Wahl-Salzburgerin Julia Gschnitzer. Sie verkörpert in dem Zwei-Personen-Stück die exzentrische Sarah Bernhardt (1844-1923), eine der schillerndsten Schauspielerinnen ihrer Zeit. Ein hinreißendes, sehenswertes Gastspiel des Theaters praesent aus Innsbruck.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Ganz in flauschigen, weißen Pelz gehüllt rauscht die in die Jahre gekommene Divar auf die Bühne und nimmt dann, doch etwas erschöpft, auf einem Strandsessel Platz. Sie ist sich ihres fortgeschrittenen Alters und ihrer Gebrechlichkeit bewusst und weiß, dass das Publikum, das ihr einst zugejubelt hat, sie nur mehr für eine „alte ausgedörrte Eidechse“ hält. Aufgeben will sie noch lange nicht, es gibt noch viel zu tun. Ihr Sekretär macht sich Sorgen um ihre Gesundheit und nervt mit seinen medizinischen Ratschlägen, doch hat er keine Chance, sich durchzusetzen. Sie will an ihrer Biographie weiterarbeiten und dazu braucht sie seine Hilfe. Um ihr Gedächtnis wachzurütteln, muss er in die verschiedensten Rollen schlüpfen. Nur äußerst widerwillig spielt er die Mutter der Diva. Der Text wird ihm vorgegeben, er hat über die missratene Tochter zu jammern und zu lamentieren. Er hasst zwar diese abwegigen Spielchen, doch ist er machtlos gegen ihren Altersstarrsinn. Bei ihren privaten Erinnerungen braucht sie seine Hilfe, doch ihre großen Rollen, besonders die der klassischen französischen Dramen, kann sie auch im hohen Alter noch mit großen Gebärden deklamieren.

Sarah Bernhardt, die auf der Bühne als „Königin der Haltung und Fürstin der Gesten“ gefeiert wurde, war als exzentrische, überspannte und launische Diva gefürchtet. Julia Gschnitzer begeistert in der Rolle der alternden Künstlerin. Sie versteht es, deren große und kleine Schwächen überzeugend auf die Bühne zu bringen. In Walter Ludwig vom Tiroler Landestheater hat sie einen kongenialen Partner gefunden. Er steht ihr als Sekretär und Diener treu zur Seite und erträgt geduldig all ihre Launen.

Die dunkel gehaltene Bühne (Jan Hax Halama) ist übersät mit Künstlerfotos, die an die lange Karriere von Julia Gschnitzer erinnern. Während die Künstlerin im weißen Korbsessel thront, darf der Sekretär eine Treppe, die ins Nirgendwo führt, auf- und absteigen. Angelica Ladurner hat das tragische und zugleich komische Stück äußerst sensibel in Szene gesetzt. Ein großer Theaterabend mit zwei wunderbaren Schauspielern, der das Publikum begeisterte. Bleibt zu hoffen, dass wir Julia Gschnitzer noch lange auf der Bühne bewundern können. Im Sommer wird sie bei den Salzburger Festspielen als Mutter im „Jedermann“ zu sehen sein.

„Memoiren der Sarah Bernhardt“ von John Murrell. Theater praesent. Regie: Angelica Ladurner. Bühne: Jan Hax Halama. Mit: Julia Gschnitzer und Walter Ludwig. Foto: Kleines Theater

 

 

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