Marko Feingold: Heimat

RGratzfeld

Meine herzlichsten Glückwünsche gehen heute an Marko Feingold zu seinem Geburtstag (geb. 28. Mai 1913). 100 Jahre. wer hätte das gedacht, wie er selbst sagt. Marko Feingold ist für mich ein Symbol für das Leben. Gott, wieviele Gründe hätte er gehabt, zu hassen. Dieser Mann, der von den Nazis durch die Konzentrationslager geschleppt wurde. Der überlebte. (Von Rochus Gratzfeld)

Marko Feingold hat sich gegen den Hass entschieden und wurde somit für mich auch zu einem Symbol gegen jede Form von Extremismus. Es ist noch nicht lange her, da widmete :dieRAUM/ laufen einen Kunstzyklus dem Thema Heimat. Mein Beitrag war das Zusammentragen von Texten zum Thema. Hier der Beitrag, den Marko Feingold damals extra verfasst und zur Verfügung gestellt hatte:

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Marko Feingold

Auch mir wurde diese Stadt, die wenige Jahre nach meiner Geburt als Wasserkopf bezeichnet wurde zur Heimat, obwohl mein Geburtsort weiter östlich liegt. Nach meiner Schulzeit und Lehre kamen schwierige wirtschaftliche Zeiten auf ganz Europa zu. So wählte ich das südliche Nachbarland Italien zu meinem Wohnsitz um dort zu arbeiten und mein Auslangen zu finden. Meine Staatsbürgerschaft habe ich nicht gewechselt.

Als ich meinen Reisepass verlängern wollte wurde über Nacht das Tausendjährige Reich ausgerufen und ich wurde zur Unperson erklärt – ich wurde mit dem falschen Religionsbekenntnis geboren. Ich hatte von einer Minute zur anderen keine Heimat mehr – nicht hier und nirgends anderswo auf dieser Welt. Der Mond war noch nicht erreichbar. Meine Heimat bestand erst aus Flucht und Verstecken, aus Fälschen von Dokumenten um schlussendlich auf ‚Staatskosten‘ von einem Lager ins nächste durch halb Europa verbracht zu werden.

Erzbischof Alois Kothgasser und Marko Feingold. Fotos (2): Manfred Siebinger, Salzburg
Erzbischof Alois Kothgasser und Marko Feingold. Fotos (2): Manfred Siebinger, Salzburg

Als die ‚tausend‘ Jahre vorbei waren, hatte meine Heimat mich und viele meiner toten, überlebenden und vertriebenen Kameraden missbraucht, um sich selbst als überfallenes Opfer darzustellen, da musste ich feststellen, dass mich meine Heimat gar nicht zurück wollte. Ich bekam keine Einreiseerlaubnis und sollte in den Kerker zurückgehen. Auf der Busreise zurück stieg ich in der Stadt aus und wählte sie mir zur Heimat und zum Wohnsitz und half anderen auch ihre ‚Heimat‘ zu finden, wenn diese auch noch in zeitlicher und räumlicher Ferne lag.

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