Penetrator. Triste Verhältnisse

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Ein ungemein starkes, verstörendes Sozialdrama des schottischen Autors Anthony Neilson gelangte am 27. Mai 2013 in der Übersetzung von Roland Schimmelpfennig in der ARGEkultur zur Österreichischen Erstaufführung. Ein erschütterndes Porträt dreier junger Männer, chancenlos in einer gespaltenen englischen Gesellschaft.

elipi02Von Elisabeth Pichler.

Max und Allen wohnen in einer total versifften Wohnung in einem Londoner Arbeiterviertel. Berauscht von Alkohol und umnebelt von Drogen scheint sich Max in diesem Chaos wohlzufühlen. Allen, der in einem Supermarkt an der Kasse arbeitet, versucht, etwas Ordnung zu schaffen, er wäscht ab und gießt die kümmerlichen Pflanzen. In diese „traute Zweisamkeit“ platzt Stän, ein Freund von Max aus Kindheitstagen. Um der sozialen Misere zu entgehen, hatte er sich freiwillig zum Militärdienst verpflichtet und kommt nun direkt aus Afghanistan zurück. Er wirkt verstört, geht verängstigt ständig in Deckung und sucht das Zimmer nach versteckten Wanzen ab. Der Lärm der vorbeiratternden Züge bringt ihn fast um den Verstand. Obsessiv erzählt er verstörende Geschichten von Gefangenschaft, sexueller und physischer Gewaltanwendung. Die Erzählungen werden immer phantastischer und lassen die beiden Freunde am Wahrheitsgehalt zweifeln. Bald erkennen sie, dass Stän professionelle Hilfe benötigt, denn seine Reizbarkeit und Wutausbrüche werden immer unkontrollierbarer.

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Jurij Diez spielt die Rolle des traumatisierten Afghanistan-Kämpfers überzeugend und beängstigend realistisch. Ohrenbetäubende Soundeffekte und flackerndes Licht verstärken noch die gewalttätigen Passagen. Maximilian Pfnür spielt den wilden, verwahrlosten Max, der seinen Mitbewohner mit obszönen Sprüchen und seinem provozierend schlechten Benehmen nervt. Alexander Lughofer gelingt es als sensibler Allen, in diesem Chaos eine gewisse Würde zu bewahren. Seine heißgeliebte Teddybären-Sammlung bildet für ihn einen Ort der Sicherheit und Wärme in dieser kalten Welt.

Anthony Neilson zeichnet in diesem Stück ein erschütterndes Bild der chancen- und perspektivenlosen Arbeiterklasse in England. Michael Kolnberger stehen für diese Inszenierung drei großartige Schauspieler zur Verfügung, die sich auf der Bühne nichts schenken. Das schonungslos dargestellte, brisante Thema hinterlässt beim Publikum einen tiefen Eindruck. Viel Applaus für einen großartigen, wenn auch erschreckenden Theaterabend.

„Penetrator“ von Anthony Neilson. Österreichische Erstaufführung. Eine Kooperation von theater.direkt und ARGEkultur in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg. Übersetzung: Roland Schimmelpfennig. Regie: Michael Kolnberger. Raum/Bühne: Arthur Zgubic. Mit: Maximilian Pfnür, Alexander Lughofer, Jurij Diez. Fotos: ARGEkultur

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