Christiane Pott-Schlager: Stahlsymposium Riedersbach 1999

Die Gipshalle

Wer im August 1999 nach Riedersbach zum Stahlsymposion eingeladen war, konnte sich glücklich schätzen: auf ca. 1000m² Fläche der Gipshalle der Energie AG standen 2 Elektrodenschweißgeräte, 2 Schutzgas- und 2 Autogenschweißgeräte, sowie unzählige Winkelschleifer, eine Metallbandsäge, ein Kran und sogar hin- und wieder ein Gabelstapler, dazu Eisenbleche, -rohre und ausgelagerter Schrott zur Verfügung, um ungehindert von früh bis spät kreativ zu sein.

Keil und Stele
Keil und Stele

Kurz gesagt: ein enormes Potential lag brach da und wartete nur darauf, von Künstleraugen neu entdeckt und durch Künstlerhände neu gestaltet zu werden, um sich in höhere geistige Ebenen emporzuschwingen… ja, ich meine das rostige Material!

Der Organisator des Stahlsymposions, Dir. Karl Heinz Schönswetter, hat dieses Jahr 15 Personen aus Deutschland und Österreich ausgewählt, die in diesem Katalog anschließend mit Werken vorgestellt werden: Jörg Drühl, Hilde Götz, Alto Hien, Gary Klein, Renate Kohl, Markus Maurer, Albin Miksche, Christiane Pott-Schlager, Kunigunde Schönswetter, Markus Steidl, Katharina Strobl, Karl-Heinz Tegeler, Markus Treml, Anna Wondrak

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Die Ansätze sind dabei sehr unterschiedlich, ebenso die Dispositionen. Ein akademischer Bildhauer arbeitet neben einem Schmied in Ausbildung, eine Malerin neben einer frisch gebackenen Maturantin. Hier werden also nicht ausgesprochene Bildhauer oder gar Metallplastiker versammelt, sondern im Gegenteil: sehr verschiedene Menschen unterschiedlicher Herkunft und Ausbildung können hier ihrer Begeisterung für Metallplastik erstmals oder schon des öfteren nachgehen. Karl Heinz Schönswetter selbst hat das Stahlsymposion einmal liebevoll als „Mistbeet“ bezeichnet, in dem alles wachsen und gedeihen sollte, denn erst unsere Nachfahren werden die Aufgabe haben, auszusortieren, was zur Kunst, zur hohen Kunst oder zum Schrott gehöre.

Weder ein vorgefertigter Kunstbegriff ist zu erfüllen, noch einer Schule oder gar einem Vorbild aus der Geschichte der Eisenplastik nachzueifern. Jeder hat die Freiheit nach seinem Verständnis zu arbeiten und hat die Möglichkeit sich z.B. in Gesprächen mit anderen weiterzuentwickeln: ein Symposion.

Pavillion
Pavillion

Entwickelt hat sich das Stahlsymposion aus einer Art Schulgalerie-Idee im Jahre 1988: die Grundidee ist Kunstvermittlung auf verschiedenen Ebenen. Der Initiator Karl Heinz Schönswetter meint, das Verständnis zur Kunst fiele leichter, wenn man sie entstehen sieht oder gar selbst an ihr beteiligt wird. So waren im Jahr 1988 Kinder und die Arbeiter aus dem Werk von ihm aufgefordert zum Thema „Stuhl“ zu arbeiten. Neben dieser Aktion ist auch erstmals die Galerie im Kraftwerk entstanden, sowie zahlreiche Schulgalerien in Oberösterreich. Karl Heinz Schönswetter als die treibende Kraft war damals Kunsterzieher, Vertreter der Kunsterzieher im Bund der Kunst- und Werkerzieher und Bezirkskulturreferent in Braunau. Damit seine Idee tragfähig werden konnte, stellte er sie auf viele Stützen: Kunst sollte nicht ghettohaft als elitäres gesellschaftliches Ereignis gefeiert werden, sondern für ihn war es immer wichtig, auf allen Ebenen, für jedes Alter Kunst erfahrbar zu machen und den Umgang mit Kunst als selbstverständlich im Leben zu integrieren. Erwachsenenbildung gehört für ihn daher ebenso zur täglichen Vermittlungsarbeit wie Schulgalerien, Galerien in öffentlichen Gebäuden oder Kulturberatung in Firmen und Betrieben. K H Schönswetter will die Kunst nicht auf dem Sockel sehen, sondern entstehen sehen. Er sieht sich als Verwalter von Kunst und Förderer von kreativen Kräften. So erreicht er, daß Schwellenängste zwischen Handwerkern und Ideenlieferanten abgebaut werden, daß jeder von jedem lernen kann.

Das Stahl-Symposion, so wie es jetzt besteht, trägt nach 12 Jahren immer noch deutlich die Züge dieser Überzeugung von Karl Heinz Schönswetter und ist aus dieser Entwicklungsgeschichte her auch als Erwachsenenbildung und nicht nur als Produktionsstätte für Ausstellungsbelieferer zu verstehen.

Piercing
Piercing

Die Liste derjenigen, die sich hier in Metallplastik schon versucht haben ist lang und umfaßt inzwischen auch alle Kunsthochschulen Österreichs. Aber auf das gute Mischungsverhältnis kommt es an und das ist allein Karl Heinz Schönswetters Leistung, die engagierten großen, kleinen und namenlosen aber ehrlichen Arbeiter aus verschiedenen Richtungen alle unter einem Symposion zu vereinen. Sein Verdienst ist es auch, daß ein so gutes partnerschaftliches Verhältnis zur Energie AG Jahr für Jahr aufrecht erhalten wird und daß Kunstsponsoring in so großzügigem Maße und auf so experimentellen Wegen betrieben werden kann.

Wir, die Teilnehmer des Stahlsymposions 1999, danken der Energie AG für die großzügige Kunstförderung und ganz besonders Karl Heinz Schönswetter für seine Arbeit mit uns allen und für uns alle. Wir hoffen, daß die Bilanz unterm Strich mit viel Toleranz gegenüber Kunst und mehr Kunstverständnis positiv ausfällt und daß wir aktive Kulturarbeit leisten konnten.

Ich persönlich hoffe, daß ich Sie ein wenig neugierig gemacht habe, bei nächster Gelegenheit in den Stahlpark Riedersbach schauen, wo inzwischen über 100 Arbeiten aus den letzten 12 Jahren stehen und sinnlich erfahrbar sind.

Christiane Pott-Schlager

A-5112 Lamprechtshausen Hauptstraße 47, 1965 geboren in Bremen, 1984 Abitur in Achim (Niedersachsen), 1989 Abschluß als Instrumentalpädagogin an der Hochschule für Musik, Köln, 1989-1994 Aufbaustudium als Pianistin, am Mozarteum, Salzburg, 1994 Studium der Kunst- und Werkerziehung am Mozarteum, Salzburg, 1999 Teilnahme am Stahlsymposium im 5. Jahr

Zu meiner Arbeit im Stahlsymposium
Riedersbach 1999

Auf der Suche nach einem Höchstmaß an formaler Spannung und Ästhetik entstehen abstrakte geschlossene Urformen, die durch Schnitte aus vorgefertigtem Material entstehen. Diese knüpfen an die Arbeiten der vorhergehenden Jahre an, während ein anderes Projekt sich mit menschlichem Verhalten und ironischen Gesellschaftsspiegelungen beschäftigt: das Wand-Piercing. Wände eines kleinen Pavillons sind mit spielerischen Elementen durchstochen und der Betrachter wird aufgefordert, den brenngeschnittenen Kritzeleien gedankenlos oder lustvoll nachzufahren.

Stahlsymposium Riedersbach 2010 >

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