Im Salzburger Landestheater feierte die Erfolgsoper aus den 1920-er Jahren eine umjubelte Premiere. Eine rundum gelungene Inszenierung und ein hochmotiviertes Ensemble ließen das Stück glänzen.
Von Siegfried Steinkogler
Ernst Krenek schrieb seine Oper „Jonny spielt auf“ in den Jahren 1925/26. Schon kurz nach der Uraufführung 1927 in Leipzig avancierte das Spiel über die Auseinandersetzung zwischen mitteleuropäischer Musiktradition und der damals aufstrebenden Jazzkultur aus der Neuen Welt zu seinem größten Publikumserfolg und machte den erst 27-jährigen Komponisten quasi über Nacht berühmt. Unglaubliche 431 Aufführungen alleine in der 1. Spielzeit mögen hierfür ein hinlänglicher Beweis sein. Nach seiner Stigmatisierung durch das Nazi-Regime verschwand das Werk von den Spielplänen der Opernbühnen, und auch nach dem Krieg ist es um den „Jonny“ still geworden, trotz der ihm innewohnenden Vitalität und Bühnenwirksamkeit. Viel ist in den „Jonny“ hinein interpretiert worden. Dabei war dieser am allerwenigsten als tiefgründiges Stück (im Sinne von diffizilen, menschlichen Verwicklungen) angelegt, sondern am ehesten – wie Krenek selber es ausdrückte – als „Theater um des Theaters willen“, mit dem Hauptzweck der Freiheit der Kunst ein Denkmal zu setzen.
Die Motive der Geschichte sind so ausgewählt, wie sie im Künstlermilieu allemal denkbar sind: der grüblerische Komponist Max liebt die professionelle Sängerin Anita abgöttisch. Er, der in der Einsamkeit der Berge Trost und Kraft sucht, schafft es nicht wirklich, seine Geliebte an sich zu fesseln, die in der Folge während Ihres Auftritts in Paris dem heftigen Liebeswerben des berühmten Geigers Daniello nachgibt, wenn auch nur für eine Nacht. Im Rahmen dieser Konzertreise tritt auch der farbige Jazzgeiger Jonny auf den Plan, der mit seinem neuen Musikstil Furore macht. Jonny umwirbt das Zimmermädchen Yvonne und später auch Anita selbst, die ihn jedoch abweist. Mehr als die Damen interessiert ihn allerdings Daniellos teure Amati-Geige, die er aus dessen Hotelzimmer entwendet und später Max unterjubelt, indem er das teure Stück unter sein Gepäck mengt, was in der Folge zu Max‘ Verhaftung führt. Glücklicherweise kann ihn Jonny aber letztendlich befreien. Als das vollständige Künstlerensemble gemeinsam mit dem Zug nach Amerika reisen möchte, um die Neue Welt zu erobern, wird der allürenbeladene Daniello vom Zug erfasst und die Geige geht somit in Jonnys Besitz über, der sie im Schluss-Furioso der Oper auch virtuos zu spielen weiß.
Das Verdienst des Salzburger Landestheaters samt aller Akteure war es, diese klischeebehaftete, aus heutiger Sicht eher nostalgisch anmutende „Story“ in plausibler Form auf die Bühne zu bringen, was Dank einer glücklichen Symbiose von Regie, Licht und Bühnenbild auch eindrucksvoll gelang. Das Orchester auf der Bühne zu postieren, vor einer großen Collage aus jazz-bezogenen Bildern und Zeitungsartikeln aus den 20-er Jahren und es mittels beleuchteter Vorhänge bei Bedarf verschwinden zu lassen, war nur einer der Höhepunkte der Bühnenbildgestaltung.
Das war super – Herr Supper!
Der burgenländische Tenor Franz Supper lässt den Komponisten Max zu einer Glanzrolle werden: zu seiner Glanzrolle. Etwa, wenn er in der Badewanne auf die Geliebte wartet oder wenn er in den Bergen am Gletscher mit seinem Schicksal hadert. Der Routinier meistert diese ausgedehnten Passagen scheinbar mühelos mit einer breiten Palette an Ausdrucksmöglichkeiten. Auch Laura Nicolescu als französisches Zimmermädchen Yvonne hinterließ durch ihre Sicherheit in virtuosen Passagen einen nachhaltigen Eindruck. Insgesamt bestand die große Stärke dieser Premiere in den perfekt aufeinander abgestimmten Einzelleistungen der Ensemblemitglieder. Dementsprechend zählen auch die Ensemble-Passagen zu den stärksten Momenten dieser Aufführung. Das gilt im gleichen Maß für den Chor, der im 2. Akt eine starke Leistung bot. Bleibt noch das Mozarteumorchester unter der Leitung von Adrian Kelly, das zu loben sich beinahe erübrigt. Ohne je die Partitur gesehen zu haben, darf ich behaupten, dass die Interpretation des Orchesters in allen Phasen auffallend stimmig wirkte.-
Was waren aber nun tatsächlich die Gründe für die außergewöhnliche Popularität des „Jonny“?
Einerseits war sicherlich die gute Verträglichkeit der Musik für die große Beliebtheit förderlich: eine Musik, die „modern“ (progressiv aus damaliger Sicht) anmutet ohne vordergründig dissonant zu sein, traditionell orientiert in den europäisch dominierten und leger(e)-lässig wirkend in den amerikanisch inspirierten Teilen. Dabei darf die Oper „Jonny spielt auf“ keineswegs als Jazz-Oper missverstanden werden. Zur Zeit ihrer Entstehung hatte in Europa noch kaum jemand eine konkrete Vorstellung von amerikanischer Jazz-Musik und niemand hätte gar den (schwarz-dominierten) New Orleans-Jazz vom (weißen) Dixieland unterscheiden können. Mehr noch: was wir heute mit dem Begriff Jazzmusik verbinden, gab es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht oder war bestenfalls erst im Entstehen begriffen. George Gershwin etwa schrieb das erste seiner ca.20 Broadway-Musicals „Lady Be Good“ wie auch seine „Rapsody In Blue“ 1924 und war erst 1928 nach Europa (Paris) gereist. Auch ein Jazzpionier wie Louis Armstrong machte erst Ende der Zwanzigerjahre große Karriere in den USA, nachdem er schon einige Jahre zuvor als Trompeter in King Olivers Jazzband von sich reden machte.
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„Jazzmusik“ war in den 1920ern ein Modewort – ja ein Mythos! Wer „in“ sein wollte sprach von Jazz und tanzte Jazz. Einige hatten schon einen der wenigen Europa-Auftritte amerikanischer Formationen miterlebt, die meisten kannten Jazzmusik ohnehin nur vom Hörensagen.
Auch dem Komponisten Ernst Krenek lag Jazzmusik nur in transskribierten Notendrucken vor, die – vage genug – beispielsweise eine Saxophonstimme als Melodie samt Schlagzeugpart anzeigten. So war Krenek darauf angewiesen, seinen eigenen, stark imaginierten, „Jazz“ zu erfinden, was ihm auch hervorragend gelang. Davon kann man sich derzeit am Salzburger Landestheater überzeugen.
Oper von Ernst Křenek / Premiere: 07.12 2013 Salzburger Landestheater / Musikalische Leitung: Adrian Kelly / Inszenierung: Andreas Gergen / Bühne: Court Watson / Kostüme: Regina Schill / Choreographie: Peter Breuer / Dramaturgie: Katrin König / BESETZUNG: Max – Franz Supper, Anita – Christiane Boesiger, Jonny – Nathan De’Shon Myers, Daniello – Simon Schnorr, Yvonne – Laura Nicorescu, Manager – Alexey Birkus, Hoteldirektor – Dietmar Kerschbaum, Bahnangestellter – Viorel Baciu, Polizisten – Philipp Schausberger, Rudolf Pscheidl, Roland Faust / Videotrailer: SLT / Fotos: Christina Canaval
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