„Die Spieldose“ – tragisches Theater in Anthering

Es hat schon Tradition, dass im Theater Anthering auf der Probebühne auch ernste, dramatische Stücke gespielt werden. Regisseur Gerard Es bearbeitete diesmal ein expressionistisches Drama Georg Kaisers (1878-1945), der in der Zwischenkriegszeit neben Gerhard Hauptmann zu den meistgespielten Autoren Deutschlands zählte und heute fast in Vergessenheit geraten ist.

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Von Elisabeth Pichler

Jeden Abend findet am Bauernhof von Severin eine eigenwillige Zeremonie statt. Die zukünftige Schwiegertochter Amalia liest ihm Briefe ihres Verlobten Paul vor, der an der Front kämpft. Dazu ertönt aus einer Spieldose – ein Brautgeschenk – eine zärtliche Melodie. Die beiden halten sich an den Händen, fast wie ein Liebespaar, sie suchen Trost. Als sie die schreckliche Mitteilung erhalten, dass der junge Mann gefallen sei, umklammern sie sich wie Ertrinkende und beschließen nach kurzer Trauerzeit, „sich gegenseitig zu retten“ und zu heiraten.

Die Geburt eines Buben, den sie Paul nennen, scheint das junge Glück zu besiegeln. Da kehrt der schwer traumatisierte Bräutigam zurück, der irrtümlich für tot erklärt worden war. Er erkennt weder Vater noch Braut, ist nur mehr „ein wesenloser Schatten“ und so wird er als Knecht am Hofe aufgenommen. Eines Tages findet er die Spieldose, deren vertraute Klänge in ihm Erinnerungen wecken.

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Martina Müller wickelt in der Rolle der Amalia ihren Schwiegervater und späteren Ehemann um den Finger. Sie hat „so viel Leben aufgestaut, dass sie die Kraft von ihrem eigenen Leben erschlägt“. Josef Kittl fühlt sich als Severin mit diesem Energiebündel anfangs leicht überfordert, blüht aber zusehends auf und liest seiner jungen Frau bald schon jeden Wunsch von den Augen ab.

Thomas Ehinger stört als totgeglaubter Bräutigam diese Familienidylle. Anfangs nur „ein Gefäß ohne Inhalt“, leer und träge, packt ihn blinde Wut, als er sein Gedächtnis wiedererlangt. Wenn Ulli Fißlthaler als Bürgermeisterin mit finsterer Miene die Bühne betritt, droht Unheil, denn sie überbringt stets schlechte Nachrichten, die dramatische Folgen nach sich ziehen.

Georg Kaisers Schauspiel ist an Dramatik kaum zu überbieten, erinnert in seiner Wucht an griechische Tragödien, wobei die ungewohnt pathetische Sprache die enorme Wirkung noch verstärkt. Gerard Es hat das starke Stück mit einem engagierten Ensemble im Theater Anthering auf der Probebühne inszeniert. Viel Applaus für das gesamte Team bei der Premiere am 3. Mai 2014.

„Die Spieldose“ – Schauspiel von Georg Kaiser. Bearbeitet von Gerard Es. Theater Anthering. Das Theater auf der Probebühne. Regie: Gerard Es. Bühnenbau/Kostüme: Ensemble. Mit: Martina Müller, Josef Kittl, Thomas Ehinger, Ulli Fißlthaler.

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