Christoph Janacs: Offener Brief zur Zentralmatura

Erinnerung an das ehemalige BRG am Hanuschplatz in Salzburg

Erinnerung an das ehemalige BRG am Hanuschplatz in Salzburg | Foto: Karl Traintinger

Christoph JANACS 220

Sehr geehrte Frau BM Heinisch-Hosek!

Als Lehrer im 30. Dienstjahr (u.a. Deutsch) und Schriftsteller spreche ich mich in aller Deutlichkeit gegen die Einführung einer zentralisierten Aufgabenstellung im Rahmen der Matura aus.

Die Zentralmatura entmündigt uns LehrerInnen: sie entzieht uns die Kompetenz, schüleradäquate wie unterrichtsbezogene Themen zu erstellen;

Die Zentralmatura degradiert uns LehrerInnen zu willfährigen Erfüllungsgehilfen: sie schreibt uns verbindlich Beurteilungskriterien und Notenschlüssel vor, die sich mit den eigenen Kriterien in keiner Weise decken (müssen);

Die Zentralmatura aus Deutsch degradiert Literatur zum bestenfalls Stichwortgeber für Allerweltsthemen oder verwendet sie sogar missbräuchlich.

Die diesjährige Zentralmatura aus Deutsch belegt dies auf alarmierende Weise:

Zunächst müssen sich die KandidatInnen durch 20 Seiten (!) Aufgabenstellungen und Beilagen durchackern, bevor sie sich für eines der Themen entscheiden können.

Im sogenannten “literarischen” Thema wird ein Text aus dem Jahr 1947 als Kurzgeschichte bezeichnet, auf den diese Bezeichnung nicht zutrifft, eher Betrachtung, Meditation oder Kurzessay.

Der Text stammt von einem Autor mit NS-affiner Vergangenheit. Dies spiegelt sich auch im Wortgebrauch des Textes wider. Darauf wird aber weder in der Infobox noch in der Themenstellung Bezug genommen. Warum nicht?

Im den LehrerInnen zur Verfügung gestellten “Kommentar”, der als Vorlage für die Beurteilung dienen soll, werden Erwartungen an die KandidatInnen gestellt, die diese in keiner Weise erfüllen können; dazu brauchten sie literaturwissenschaftliches Wissen und umfassende literaturhistorische Kenntnisse (so werden z.B. Bezüge zu Adalbert Stifter hergestellt, den wohl die wenigsten gelesen haben dürften).

Die Schlüsse, die aus diem Befund zu ziehen sind:

Aussetzung der Zentralmatura, am besten überhaupt Zurücknahme dieser unseligen Form einer Reifeprüfung;

genauere Kontrolle oder Auflösung des BIFIE, das für derartige Themen verantwortlich zeichnet und uns LehrerInnen permanent mit widersprüchlichen Informationen oder gar Desinformationen (siehe: Englischmatura) belästigt.

Kompetenzorientiert und standardisiert grüßt

Christoph Janacs
Lehrer und Schriftsteller

Infos zu Christoph Janacs finden Sie HIER>

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3 Kommentare zu "Christoph Janacs: Offener Brief zur Zentralmatura"

  1. Heide-Maria Müller | 17. Mai 2014 um 16:33 |

    Seit ich selbst in die Schule gegangen bin, während der Schulzeit meiner Kinder und jetzt, wo sie das alles ,Gott sei Dank, hinter sich gelassen haben erlebte ich eine Reform im Bildungswesen nach der anderen -oder diverse “Schulversuche”. Leider kann ich keinerlei Verbesserung erkennen, es wird alles nur verkompliziert und man versucht alles vergleichbar zu machen. In Wirklichkeit kommt es nur auf eines an, nämlich auf GUTE LEHRER – und diese werden jetzt noch mit allen möglichen unsinnigen Aufgaben zugeschüttet. Das BIFIE scheint mir sowieso unfähig zu sein, wie sonst kann es sein, dass sie es nicht einmal schaffen, alle Matheaufgaben in den Umschlägen zu versenden, die doch sogar mit “Sicherheitstransporten” zu den Schulen geliefert worden sind ???

  2. Cordula Auernigg | 9. Mai 2014 um 08:09 |

    Ich kann mich dem “Offenen Brief” von Christoph Janacs vollinhaltlich anschließen!

  3. Avatar-Foto Bernd Salomon | 9. Mai 2014 um 07:29 |

    Fakt ist, dass die Qualität der Schulausbildung so nach und nach nach unten, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunternivelliert wird. Die Neue Mittelschule hat sich ja auch als Flop erwiesen, auch wenn die Politik ganz anders davon redet. Die sagen aber auch, dass keine Steuererhöhungen kommen und ähnlichen Blödsinn.

    Frustrierend ist die Tatsache, dass unsere Mittelschulen schon heute nicht mehr die notwendige Basis zu einen Hochschulstudium liefern können und daher die Unis Aufnahmetests durchführen müssen. Aber alles wird besser.

    Interessant ist es dann schon, wenn man beobachten kann, dass die Kinder vieler Politiker die elitären Privatschulen bevölkern ganz unabhängig davon, welch politischer Ideologie sie anhängen. Motto: Eigene Eliten heranbilden und das Volk verblöden lassen.

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