Wenn der Wettergott mitspielt, wird Heinrich von Kleists Lustspiel um einen korrupten Dorfrichter, uraufgeführt 1808 unter der Regie Goethes in Weimar, noch bis 19. September 2014 im barocken Heckentheater des Salzburger Mirabellgartens über die Bühne gehen. Ersatzspielort bei Schlechtwetter ist die Wolf Dietrich Halle des Schlosses Mirabell.
Von Elisabeth Pichler.
Nach der gelungenen Premiere am 18. August 2014 konnte auch die zweite Vorstellung im Freien stattfinden. Der Publikumsandrang war so groß, dass man sich mit zusätzlichen Stühlen behelfen musste. Die Komödie spielt in einem Gerichtszimmer in Huisum, einem niederländischen Dorf bei Utrecht, gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Dorfrichter Adam befindet sich an diesem Morgen in schlechtem Zustand. Schwer verkatert, sichtlich verletzt und angeschlagen, hat er die Nacht unter seinem Schreibtisch verbracht. Zu allem Unglück kündigt ihm sein Schreiber eine Revision durch den gefürchteten Gerichtsrat Walter an. Dieser will dem Gerichtstag beiwohnen und so ist es umso peinlicher, dass Dorfrichter Adam gerade heute seine Perücke nicht finden kann. Da erscheinen heftig streitende Parteien im Gerichtszimmer. Frau Marthe beschuldigt Ruprecht, den Verlobten ihrer Tochter, einen kostbaren Krug zerbrochen zu haben. Dieser leugnet vehement und beschuldigt Eve, sie habe ihm noch vor der Hochzeit Hörner aufsetzen wollen. Der Richter ist offensichtlich bemüht, den Prozess so schnell wie möglich abzuschließen. Gerichtsrat Walter erscheint diese übertriebene Eile zu Recht verdächtig.
Daniel Bucher hat es als Dorfrichter Adam nicht leicht. Schwer lädiert muss er einen Fall verhandeln, in dem er selbst der Täter ist. Er verkörpert diesen widersprüchlichen, tragikomischen Genussmenschen so überzeugend, dass man fast Mitleid mit ihm empfinden könnte. Gerard Es macht es ihm als Gerichtsrat Walter nicht leicht, denn er unterbricht ständig dieses offensichtlich schlampige Verfahren. Fatma Mohamed führt als tatkräftige, temperamentvolle Frau Marthe die Gruppe der Dorfbewohner an, im Schlepptau Anna Kuzmenko als ihr eingeschüchtertes Töchterlein. Alex Lughofer fungiert als Gerichtsdolmetscher für die verschiedensprachigen Migranten, die im Orchestergraben sitzen und lauthals ihre Meinung kundtun, wobei Mitglieder der LAUBE Theaterwerkstatt und der Blauen Hunde (Theatergruppe der Lebenshilfe Salzburg) mit Nachdruck für Ordnung sorgen. Nötig ist das besonders bei Jurij Diez, der als zu Unrecht beschuldigter Verlobter, ordentlich wütet. Jurek Milewski hat als putzende Magd und Kronzeugin Brigitte sichtlich Spaß.
Reinhold Tritscher ist es mit dieser Inszenierung, einer Kooperation des Theaters ecce mit dem Nationaltheater Radu Stanca aus dem rumänischen Sibiu/Hermannstadt, gelungen, Heinrich Kleists Lustspiel als heiteres, deftiges „Volxtheater“ mit Musik und Tanz auf die Bühne zu bringen. Als die Gerichtsverhandlung kurz unterbrochen wird, darf sich auch das Publikum stärken. Der Wunsch einiger Besucher nach einem Glas Glühwein konnte allerdings nicht erfüllt werden. Das Heckentheater hat sich als bezaubernde Kulisse mit „Weinspalier“ bewährt. Ein spielfreudiges Ensemble, Livemusik von Johannes Steiner und ein stimmiges Bühnenbild (Alois Ellmauer), eingebettet in eine faszinierende Naturkulisse, bereiten dem Publikum einen ganz speziellen Theaterabend.
„Der zerbrochene Krug“ – Lustspiel von Heinrich von Kleist. Theater ecce – Heckentheater/Mirabellgarten. Eine Kooperation mit dem Nationaltheater Radu Stanca aus Sibiu/Hermannstadt (Rumänien). Inszenierung: Reinhold Tritscher. Livemusik: Johannes Steiner. Bühne: Alois Ellmauer. Kostüme: Hilde Böhm. Mit: Daniel Bucher, Jurij Diez, Gerard Es, Gerhard Fagerer. Johannes Hufnagl, Wolfgang Kandler, Anna Kuzmenko, Alexander Lughofer, Jurek Milewski, Fatma Mohamed, Natalia Sarajlic. Fotos: Theater ECCE
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