Wolfgang Ecker:
Das Lachen der Wälder

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Ecker_Wolfgang_01In den Rocky Mountains, dort im “Middle of Nowhere”, wo man in der Bäckerei nicht nur Donuts kriegt, sondern auch Videocassetten und Motoröl und Zündkerzen, wo die Welt noch so ist wie sie vielleicht vor hundert Jahren auch bei uns in den Bergen war, da bedecken endlose Urwälder die Berge und Hügel.

Von Wolfgang Ecker.

Urwälder so urtümlich, dass bereits wenige Schritte hinein große Geschicklichkeit erfordern, muss man doch ständig über irgendwelche umgestürzte und vermodernde Baumleichen klettern. Dort also, wo sich Fuchs und Henn’ gute Nacht sagen, dort wird die Natur zum unmittelbaren Erlebnis.

Grizzlies sind was Elementares und ich möcht keinem begegnen, höchstens im Zoo. Er ist der Beherrscher der Wälder, der Flüsse und der Berge. Er sieht den Menschen als potentielle Beute. Leicht erlegbar, weil doch der Mensch so ungeschickt ist und wenn nur dieser Geruch von Feuer nicht immer an dem wär, dann würd der sicher auch gut schmecken.

Sein kleinerer Bruder, der Braunbär, ist da viel ängstlicher und es muss sich schon einer dumm anstellen, um den überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Beim Schwarzbären ist’s wieder anders. Das ist ein reiner Beerenfresser, der aber Betteleien nicht abgeneigt ist. Darum sind auch überall bärensichere Müllcontainer aufgestellt mit Warnungen vor den Bären drauf. Manch eine Stelle gibt’s wo ein “friendly bear” direkt an die Strasse kommt und bei den Touristen um Futter bettelt. Das sind Jährlinge, also von der Mutter vor der Geburt des nächsten Bärennachwuchses verstoßene Halbstarke, die sich jetzt alleine durch’s Leben schlagen müssen und einsam sind und traurig und immer hungrig. Die sind nicht allzu gefährlich, aber unberechenbar. Wir Menschen neigen dazu die Mine unseres Gegenübers nach Anzeichen von Freude, Furcht oder Angst abzusuchen. Bären haben aber diese Mimik nicht und daher ist der Umgang mit den Bären so gefährlich.

Das Kanadische Touristboard sieht diese Füttereien nicht gerne, gerade kleine Kinder sind absolut gefährdet, schon ein Hieb mit den klauenbewehrten Tatzen verursacht schlimme Wunden.
Tief drinnen, in den Rockies, am “Wild Swan Lake” da waren wir auf Urlaub, haben ein Boot mitgehabt um Forellen zu fangen, die Badesachen zum Schwimmen, die Film und die Fotokamera und die Sonnenbrillen und das Sonnenöl.

Wenn’s Abend geworden ist, dann haben wir ein „Campfire“ gemacht und auch die kleinen Zitronenlichter angezündet, um die Gelsen zu vertreiben. Da sind wir dann stundenlang beisammengesessen und jeder hat erzählt und haben gegrillt und haben’s uns gut gehen lassen. Das Radio hat gespielt und da war Countrymusik und die Tochter hat ihre Cassetten mitgehabt und hat die Bloodhound Gang gespielt mit ihren Crisscross Sachen.

Dann haben wir auf die Texte gehört und haben gelacht und mitgesungen, haben uns ins feuchte Gras gelegt und auf den Himmel geschaut und auf die Sterne und was da wohl war, vor vielleicht zweihundert Jahren, wie’s am Whiteswan Lake noch keine Weißen gab und keine Indianer auch nicht, denn wer geht denn schon freiwillig ins Nowhereland?

Wenn’s schon ganz spät geworden ist in der Nacht, dann ist aus den Bergen herab immer ein Rudel Coyoten ans Ufer des Sees nicht weit von uns gekommen. Deren Laute klingen wie Kinderlachen, sie sind aus den Wäldern gekommen und auf die Wiese am See, dort wo der Weißkopfadler immer seine Fische verspeist hat am Tag. Die waren hungrig und auf der Suche nach was Fressbarem und dabei haben sie ihr heiseres Lachen von sich gegeben. Dann haben wir auch gelacht und das Lachen der Coyoten hat sich mit unserem vermischt weil’s gar so ansteckend war und sind uns Witze eingefallen und werden sich die Coyoten gedacht haben da ist noch ein anderes Rudel ihrer Artgenossen.

Das Lachen der Coyoten, das Lachen der Rockies, das Lachen der Menschen, das Lachen in den endlosen Wäldern Canadas, dieses Lachen wird’s nicht mehr allzu lange geben. Ich hab’s noch erleben dürfen und die Tochter noch und die Enkelkinder werden’s dereinst schon nicht mehr hören. Werden die Wälder abgeholzt und die Coyoten geschossen. Wird man uns noch mehr domestizieren und wird dann da kein Lachen mehr sein.

Nicht in den Wäldern, nicht in den Steinigen Bergen, nicht in den Coyoten und in uns nicht.

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