„Yellow Line“ – Können Kühe fliegen?

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Die Autorinnen Charlotte Roos und Juli Zeh haben sich intensiv mit Freiheitssehnsucht und Demokratiebewegungen in der arabischen und der westlichen Welt auseinandergesetzt. Ihre bissige Komödie setzt sich nur scheinbar aus zusammenhangslosen Episoden zusammen. Das von Marion Rothhaar flott inszenierte Stück feierte am 11. Jänner 2015 im Schauspielhaus Salzburg Premiere. Viel Applaus!

elipi_aVon Elisabeth Pichler.

Als Besucher einer Kunstauktion werden wir herzlich willkommen geheißen. Die eigenwilligen Performancekünstler, die sich für die Aktion „Hilfe für die unterdrückten Menschen in Libyen“ zur Verfügung stellen, sorgen zwar für allgemeine Heiterkeit, doch Paul findet es einfach nur pervers, dass sich seine Freundin Helene, angekettet an eine Hundehütte, versteigern lässt. Helene hingegen steht voll hinter ihrer Aktion: „Die Anwältin, die mich ersteigert hat, stellt mich eine Woche lang ins Foyer der Kanzlei. Im Käfig. Die will doch nur, dass ihre steinreichen Mandanten mitkriegen, dass sie Kunstliebhaberin ist.“

Auch der gemeinsame Pauschalurlaub in Ägypten ist so gar nicht nach Pauls Geschmack. Er findet die „Fresstourismusanlage“ einfach nur widerlich, verlässt deshalb sein Zimmer nicht mehr und verfolgt lieber im Internet die Rettungsaktion für die Kuh Yvonne, die es geschafft hat, dem Schlachter zu entkommen. Dass es unangenehme Folgen haben kann, wenn man am Flughafen die gelbe Linie – trotz wiederholter Mahnungen – missachtet, bekommt Paul zu spüren, als er mutwillig die Ordnung zu stören versucht.

Der Fischer Asch-Schamisch wiederum hat Probleme mit einer fliegenden Kuh, die angeblich sein Boot zerstört hat. Gestrandet an der Küste Europas glaubt ihm niemand die absurde Geschichte. Es folgen Untersuchungshaft und endlose Verhöre. Dass er zurück nach Hause, zu Frau und Kindern will, nimmt ihm aber niemand ab. Unvorstellbar, dass ein Asylant nicht in Europa bleiben will. Um Kühe geht es auch bei der Präsentation des neuesten Managementsystems, Optimierung durch Harmonisierung heißt hier die Devise.

Christiane Warnecke als Protestkünstlerin Helene und Simon Ahlborn als ihr Freund Paul, der sich dem Herdenmanagement verweigert und die absolute Freiheit einfordert, sind selten einer Meinung. Penetrant lächelnd versuchen Michaela Schmid und Olaf Salzer, uns von den Vorteilen einer modernen Rindermastanstalt zu überzeugen. Mit Bart und Turban werden sie zu einfachen Fischern, denen eine Kuh schwer zugesetzt hat. Ute Hamm als Auktionatorin, Dolmetscherin, Anwältin und Sebastian Martin Rehm als Security-Beamter und Spa-Angestellter komplettieren das spielfreudige Ensemble.

Das minimalistische, doch funktionale Bühnenbild besteht lediglich aus einer Hundehütte und zwei hohe Mauern (Ausstattung: Barbara Pfyffer). Die kluge, bitterböse Satire hat hohen Unterhaltungswert, stimmt aber auch nachdenklich, geht es doch in jeder der skurrilen Szenen vorrangig um die Frage, wie viel Freiheit wir bereit sind, für ein fadenscheiniges Versprechen von Sicherheit zu opfern. Tipps, wie wir uns gegen den schleichenden Verlust unserer Freiheit wehren können, sind in dem Buch „Angriff auf die Freiheit – Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte“ von Ilija Trojanow und Juli Zeh zu finden. Eine äußerst empfehlenswerte Lektüre.

„Yellow Line“ von Charlotte Roos und Juli Zeh. Regie: Marion Rothhaar. Ausstattung: Barbara Pfyffer. Sounddesign: Christopher Biribauer, Marion Rothhaar, Marcel Busa. Mit: Ute Hamm, Michaela Schmid, Christiane Warnecke, Simon Ahlborn, Sebastian Martin Rehm, Olaf Salzer. Fotos: Schauspielhaus Salzburg/Barbara Pfyffer & Manuela Seethaler

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