Erneut gelungene Landestheater-Premiere: “La Sonnambula” von Vincenzo Bellini – ein Rundum-Genuss für Opernfreunde: eingängige Musik, gute Gesangskräfte und viel Romantik versprechen einen perfekten Kunstabend.
Von Siegfried Steinkogler.
In schwindelerregender Höhe balanciert ein junges Mädchen in Pyjamas. Die somnambule Amina wird von der unaufgeklärten Dorfbevölkerung für einen Geist gehalten und landet, im Glauben ihren Bräutigam Elvino vor sich zu haben, im Gasthauszimmer des Grafen Rodolfo, der nach langen Jahren wieder auf sein Schloss zurück kehrt, und, von der Nacht überrascht, in der örtlichen Schänke nächtigt. Dort wird sie am nächsten Morgen von den Dorfbewohnern aufgefunden. Allgemeine Entrüstung ist die Folge. Dass auch das Halstuch der hübschen Wirtin Lisa in des Grafen Zimmer gefunden wird, sorgt für zusätzliche Brisanz.
Weder dem unschuldigen Mädchen noch dem Grafen wird Glauben geschenkt, und so befindet sich Aminas und Elvinos bevor stehende Eheschließung ernsthaft in Gefahr. Erst als Amina – wiederum in Anwesenheit aller – schlafwandelnd von ihrer großen Liebe zu ihrem Geliebten singt, löst sich die dramatische Situation in Wohlgefallen auf.
Unter der Regie von Agnes Nefjodov wird eine ländliche Idylle konstruiert, für die in ihrem Harmoniebedürfnis kein Platz ist für ein scheinbar abnormes Phänomen wie das Schlafwandeln. Hier kommt dem Chor eine wichtige Aufgabe bei: indem er eben diese Idylle repräsentiert, fungiert er als Kontrastmittel zu dem Störfaktor “Somnambulismus”.
Da der Chor diese Attitüde das ganze Stück über beibehält, ja beibehalten muss, wird er zu einem handlungstragenden Element, eine Herausforderung, der sich der Chor des Salzburger Landestheaters unter der Einstudierung von Stefan Müller wacker stellt.
Die Gesangspartien sind klar im Bereich des italienischen Belcanto angesiedelt und fügen sich ein in die romantische Idylle, oder aber wirbeln diese, gemäß dem Handlungsverlauf, gehörig durcheinander.
Für den Part der “Sonnambula” wurde mit Lavinia Bini eine ideale Besetzung gefunden. Der florentinische Koloratursopran mit Höhe ohne Ende und seelischem Tiefgang wird mit viel Gefühl ihrer Rolle gerecht. Gleichfalls sehr sicher in der Höhe präsentiert sich ihr Bühnenpartner Pavel Kolgatin als Elvino. Sein seidig-weiches Stimmtimbre verleiht ihm viel Glaubwürdigkeit in den Liebes- und Versöhnungsszenen.
Ein Kontrast der besonderen Sorte kommt mit Alexey Birkus ins Spiel. Sowohl als Erscheinung wie auch als Sänger eine Autorität, glänzt Birkus als Graf Rodolfo und setzt einmal mehr einer an sich schon gelungenen Premiere die Krone auf. Hannah Bradbury besitzt genügend schauspielerisches und Gesangstalent um eine wunderbare Lisa abzugeben, wobei sie sich in der Intensivität der Stimmgebung zuweilen auffällig zurück hält. Als Lisa umwerbender Alessio erweist sich auch Ugur Okay als stimmkräftiger Glücksgriff. Anna Maria Dur (als Aminas Mutter Theresa) stellt mit viel Wärme und Ruhe ihre große Routine unter Beweis.
So wie bei dieser Produktion die Gesangspartien sorgfältig ausgesucht wurden, ist auch für das Amt des Dirigenten ein Kenner (und Könner) verpflichtet worden. Bellinis Landsmann Lorenzo Coladonato hat den Belcanto im Blut und weiß diesen auch umzusetzen. Das Mozarteum Orchester erweist sich als dankbarer Klangkörper für ihn, der seine Vorstellungen umzusetzen durchaus in der Lage ist.
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La Sonnambula” | Oper von Vincenzo Bellini | Premiere: 22. 2. 2015 | Salzburger Landestheater | Musikalische Leitung: Lorenzo Coladonato, Adrian Kelly | Inszenierung: Agnessa Nefjodov | Ausstattung: Eva Musil | Choreinstudierung: Stefan Müller | Dramaturgie: Andreas Gergen | Besetzung: Il Conte Rodolfo – Alexey Birkus, Teresa – Anna Maria Dur, Amina – Lavinia Bini, Elvino – Pavel Kolgatin, Lisa – Hannah Bradbury, Alessio – Uğur Okay, Un Notaro – Min-Yong Kang, Chong Sun. OrchesterMozarteumorchester Salzburg, Chor des Salzburger Landestheaters | Fotos: © Anna-Maria Löffelberger, Video: SLT
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