Zwei Einakter, die sich mit der Angst vor dem Fremden, dem Unangepassten, befassen, hat Gerard Es mit einem engagierten Ensemble des Theaters Anthering in Szene gesetzt: Karl Schönherrs „Karrnerleut“ aus dem Jahre 1904 und Felix Mitterers 80 Jahre später entstandene Aktualisierung des Stücks, „Null Bock“. Die Premiere fand am 10.4.2015 im Kulturraum Anthering statt.
Von Elisabeth Pichler
Füchsl, der kleine Sohn einer Vagabundenfamilie, hat großen Hunger. Als sich die Eltern aufmachen, um Erdäpfel stehlen zu gehen, bleibt er mit seinem größeren Bruder Spitz alleine im Lager zurück. Da taucht ein Gendarm mit einer resoluten Bäuerin im Schlepptau auf, die nach einem gestohlenen Lamm sucht. Die beiden erpressen das hungrige Kind mit einem Stück Brot.
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Sie setzen dem Kleinen so lange zu, bis er das Versteck des Felles verrät. Während die Bäuerin Mitleid mit dem Kind zeigt, fühlt sich der Gendarm durch die frechen Sprüche des Buben provoziert. Den Vorwürfen der Eltern fühlt sich der Kleine nicht gewachsen, von Reue geplagt kommt es zu einer Verzweiflungstat.
Mitterers Stück „Null Bock“ spielt auf einer Müllhalde, 80 Jahre später. Auch hier steht am Beginn ein Diebstahl. Zwei junge Leute, Richie und Tina, haben aus einem Kaufhaus eine Flasche Whiskey und ein Nachthemd mitgehen lassen. Für den Gendarmen und den aufgebrachten Filialleiter haben die beiden nur Verachtung über, ihre frechen Sprüche heizen die Situation zusätzlich auf. Der an seinen eigenen Erziehungsmethoden gescheiterte Gendarm sucht Trost im Alkohol. Wehleidig und rührselig geworden, entgeht ihm die zunehmende Aggression des Filialleiters. Dieser rächt sich an dem jungen, unbekümmerten Mädchen und genießt es, folgenlos eine Straftat verüben zu können.
Der Theaterabend beginnt mit Mitterers Stück über zwei junge Aussteiger, die „Null Bock“ haben. Sebastian Karl und Sonja Schernthaler überzeugen als desillusionierte Jugendliche, die gerne in eine Phantasiewelt abtauchen. Friedi Lebesmühlbacher als Gendarm und Roman Ferrari als Filialleiter fühlen sich durch die Anarchisten-Sprüche der beiden provoziert, sie haben für das arbeitsscheue Gesindel nur Verachtung über.
Nach der Pause wird aus der Müllhalde eine romantisch anmutende Lagerstätte mit Planwagen und offenem Feuer. Hier haben die „Karrnerleut“ (Hermann Strasser und Ilse Schernthaner) mit ihren zwei Kindern (Simon und Valentin Nagl) ihr Quartier aufgeschlagen, sehr zum Verdruss der umliegenden Bauern. Während das hungernde Kind bei der Bäuerin (Ulli Fißlthaler) Mitleid erregt, bleibt der Gendarm (Josef Kittl) unbarmherzig und eiskalt.
Zwei hochaktuelle, sehr berührende Stücke über zutiefst menschliche Schicksale, über Ängste, Schuld und Reue. Ein Theaterabend, der wohl niemanden im Publikum kaltlässt.
„Karrnerleut“ von Karl Schönherr. Regie: Gerard Es. Mit: Hermann Strasser, Ilse Schernthaner, Simon Nagl, Valentin Nagl, Josef Kittl, Ulli Fißlthaler. „Null Bock“ von Felix Mitterer. Regie: Gerard Es. Mit: Sebastian Karl, Sonja Schernthaner, Friedi Lebesmühlbacher, Roman Ferrari. Fotos: Antheringer Laientheater
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