„Der Herr Karl“ – ein kultiger Text als Figurentheater

Nikolaus Habjan gastierte am 19. Juni 2015 mit seinen Klappmaul-Puppen im Odeïon Kulturforum Salzburg und präsentierte den von Helmut Qualtinger und Carl Merz 1961 verfassten Monolog in leicht aktualisierter Form als tiefgründiges, mitreißendes Theaterstück. 

elipi_aVon Elisabeth Pichler

In einem gemütlichen, etwas verrauchten Altwiener Kaffeehaus krächzt ein altes Grammophon Walzermelodien, es herrscht gepflegte Langeweile. Drei an Haken aufgehängte Puppen werden von Nikolaus Habjan zum Leben erweckt und sie beginnen zu schwadronieren und philosophieren: „Die 30er Jahre, es war eine schreckliche Zeit.“ Herr Karl, der Oberkellner, hat als Kettenraucher mit dem von der EU erlassenen Gesetz zum Arbeitnehmerschutz ein großes Problem. Die ständigen Ermahnungen seiner Chefin nerven ihn zwar, doch kann er den Griff zur Zigarette einfach nicht lassen. Geduldig hört sich der Kellnerlehrling (Nikolaus Habjan) seine ständigen Nörgeleien an, doch früher dürfte es auch nicht viel besser gewesen sein. Während Herr Karl gerne von seinen Eroberungen in den Donauauen, seinen gescheiterten Ehen und dem trostlosen Leben im Gemeindebau erzählt, lässt der einzige Gast im Lokal, ein älterer Herr, äußerst unangenehme Jahrzehnte österreichischer Geschichte Revue passieren. Dazu benötigt er jede Menge Alkohol. Kein Wunder, dass er im Laufe des Abends Probleme mit dem Text bekommt. Nikolaus Habjan hilft da jedoch gerne weiter. An der Bar fadisiert sich eine verblühte Schönheit, die zugibt, dass sie sich stets bereichert und andere ausgenutzt hat. Wenn die Puppen Kontakt miteinander aufnehmen, wird es turbulent auf der Bühne, dann wird getanzt und geflirtet, denn der Herr Karl hält sich auch noch im Alter für unwiderstehlich.

Durch die Aufteilung des vielschichtigen Charakters des Herrn Karl auf mehrere Personen wird deutlich, dass wohl jeder von uns schon einem Herrn Karl begegnet ist und dass vielleicht auch in uns selbst eine seiner abgründigen Facetten schlummert. Eine gelungene Milieustudie, ein Galopp-Ritt durch ein finsteres Kapitel Zeitgeschichte, in dem das Lachen stets einen bitteren Beigeschmack bekommt.

Die Klappmaul-Puppen scheinen einem Gruselkabinett entsprungen, wirken aber so authentisch, dass man den Künstler dahinter völlig auszublenden vermag. Nikolaus Habjan dürfte viele Fans in Salzburg und Umgebung haben und sie sind in Scharen an den Stadtrand von Salzburg, ins Odeïon Kulturforum nach Mayrwies, gekommen. Den kleinen Ausflug dürfte wohl niemand bereut haben, der Jubel war groß. Auf dem Heimweg hat man noch die letzten Worte des Herrn Karl im Ohr: „Sie werden noch oft an mich zurückdenken, gerade bei den jetzigen Wahlergebnissen.“

„Der Herr Karl“ von Helmut Qualtinger und Carl Merz. Puppenbau & Spiel: Nikolaus Habjan. Regie: Simon Meusburger.

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