„Die Verwandlung“ – als Jugendstück

Franz Kafkas 1915 erschienene Erzählung über die Verwandlung des Gregor Samsa in ein Insekt zählt zu den bekanntesten Werken der Weltliteratur. Bernadette Heidegger hat das Stück für Jugendliche ab 14 Jahren inszeniert und dabei die anarchische Komik des Autors in den Vordergrund gestellt. Es darf also ruhig gelacht werden.

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Von Elisabeth Pichler

Ein clownesker Einstieg weist auf die Schwierigkeiten eines Außenseiters hin, der sich als Käfig auf der Suche nach einem Vogel sieht. Auch Gregor Samsa fühlt sich nicht wohl in seiner Rolle, liegt doch die Verantwortung für seine Familie allein bei ihm.

Eines Tages wacht der überkorrekte Handlungsreisende auf und stellt fest, dass er sich über Nacht in einen Riesenkäfer verwandelt hat. Er ist zwar nicht mehr fähig, mit der Außenwelt zu kommunizieren, doch sein Bewusstsein ist nach wie vor das eines Menschen.

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Seine Familie reagiert sehr unterschiedlich auf das absurde Phänomen. Während die Mutter die Sachlage beschönigt, flüchtet sich der Vater in Härte: „Ich erlaube es nicht, dass man sich als Ungeziefer aufspielt.“

Einzig die Schwester scheut sich nicht vor seinem Anblick, hält Kontakt mit ihrem „Käfer-Bruder“, versorgt ihn mit Verdorbenem und versucht, die Möbel aus seinem Zimmer zu entfernen, um ihm mehr Platz zum Krabbeln einzuräumen. Als die von allen sehnsüchtig erwartete Rückverwandlung auf sich warten lässt, beginnt die Stimmung allmählich zu kippen. Dass sich nun alle Familienmitglieder gezwungen sehen, einer Arbeit nachzugehen, verschlechtert die Stimmung im Hause Samsa. Bald sind sich alle einig: „Wir müssen es loswerden.“

DIE VERWANDLUNG - Franz Kafka

Magnus Pflüger als der in Ausweglosigkeit verstrickte Protagonist erzählt in überaus sachlichem Ton von seiner eigenwilligen Verwandlung. Die Erleichterung, endlich keine Verantwortung mehr tragen zu müssen, lässt ihn sein Schicksal relativ gelassen hinnehmen. Anfangs nimmt sich Kristina Kahlert als seine Schwester rührend des großen Käfers an, doch auch sie fühlt sich zunehmend überfordert. Nenad Subat zeigt in der Rolle des aufbrausenden Vaters wenig Verständnis für die Faxen seines Sohnes. Er überhäuft ihn mit Hohn und Spott.

Ute Hamm als Mutter bringt zwar ein wenig Mitgefühl für ihren Sohn auf, doch vermeidet sie jeglichen Kontakt. Nachdem die 1. Haushälterin (Janna Ambrosy) sofort nach der Verwandlung die Flucht ergriffen hat, erweist sich ihre Nachfolgerin (Betty Bauer) als um einiges taffer. Die Macht des Prokuristen verkörpert Lukas Spinka mit einem beeindruckenden Stelzenlauf.

Bernadette Heidegger hebt in ihrer Inszenierung den Doppelzustand des Protagonisten hervor. Während sich der Käfer als Schattenspiel hinter einem Tuch verbirgt, beobachtet und kommentiert Gregor Samsa von einer kleinen Nische aus die Turbulenzen, für die er verantwortlich zeichnet. Die eigenwilligen Kostüme, die übertriebene Gestik und Mimik der Personen im Umgang mit dem Phänomen erwecken den Eindruck, dass wohl Gregor Samsa der einzig Normale unter all den eigentümlichen Gestalten sei.

Den durch Sci-Fi-Romane, -Filme und -Comics geschulten Jugendlichen sollte die Verschmelzung von Traum und Wirklichkeit, Schein und Sein nicht fremd sein. Die spannende Inszenierung könnte es schaffen, Schüler neugierig auf die Werke Franz Kafkas zu machen. Das Publikum bei der Premiere am 1. Oktober 2015 zeigte sich begeistert und feierte das Ensemble überschwänglich.

„Die Verwandlung“ von Franz Kafka. Regie: Bernadette Heidegger. Bühne: Vincent Mesnaritsch. Kostüm: Elke Gattinger. Musik Georg Brenner. Mit: Magnus Pflüger, Ute Hamm, Nenad Subat, Kristina Kahlert, Janna Ambrosy, Betty Bauer, Lukas Spinka. Fotos: Gregor Hofstätter

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