Kunst ist keine Wurstsemmel. Offene Briefe.

Dachverband Salzburger Kulturstätten

Offener Brief vom 13. 11. 2009

Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau!
Sehr geehrter Herr Floimair!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Zuerst ging es darum, die Informationszeitung »Salzburger Monat« für 230.000 Salzburger Haushalte zu retten. Doch der Landtag beschloss den Tod des Gratismagazins. Auf Antrag der FPÖ und mit Stimmen von SPÖ und ÖVP wurde es eingestellt. Gleichzeitig wurde die Weiterführung als Internet-Zeitung versprochen – und: auf Anfrage solle nach wie vor eine Printversion verschickt werden; so war es vor, während und nach der Landtagssitzung zu hören, und so versprach es zuletzt gestern Landeshauptfrau Gabi Burgstaller bei der Eröffnung der diesjährigen Landesbüchereitagung im Bildungshaus St. Virgil. Wer das wie wann und für wen in welcher Auflage produziere, aus welchem Budget das finanziert werde, ob Stadt und Land dafür weiter zusammenarbeiten etc., dies blieb trotz Nachfrage des Dachverbands Salzburger Kulturstätten in den vergangenen Wochen und Tagen unklar.

Der Dachverband Salzburger Kulturstätten – er vertritt 77 Mitglieder mit 1 Million BesucherInnen –, der sich gegen die Einstellung des »Salzburger Monat« ausgesprochen hatte, schlug deshalb vor, kunstinteressierten Menschen als Ersatz für den Wegfall des Kultur-Info-Teils wenigstens den monatlichen KULTPLANgratis zuzusenden. Dafür hätte das Land pro Monat ca. 1.000 Euro für Produktion und Versand investieren müssen (also 12.000 Euro jährlich statt 245.000 Euro für den »Salzburger Monat«) und dafür war ein doppelseitiges Inserat in der nun letzten Ausgabe des »Salzburger Monat« im Dezember 2009 geplant. Aus zwei geplanten Seiten Information in der Dezember-Ausgabe wurde schließlich eine, wir haben das akzeptiert. Nun hat die Landeshauptfrau dem Ersatz-Plan der KULT-Information eine grundsätzlich Absage erteilt, das Geld sei für Bildung verplant, so als hätte Kultur nichts damit zu tun (zur Erinnerung: Es geht um 5 % der eingesparten Summe, 95 % = 233.000 Euro fließen ohnedies ins Landesbudget). Und: Aus der geplanten 1 Seite in der letzten Ausgabe des »Salzburger Monat« wurde plötzlich ein allgemeines Inserat (ohne die Möglichkeit den KULTPLAN gratis zu bekommen) in der Größe von 30 bis 40 Zeilen. Bevor nun im nächsten Schritt aus diesen paar Zeilen eine Fußnote wird, ziehen wir unser freundliches und engagiertes Angebot zur Information der Bevölkerung über Kunst und Kultur vor allem am Land Salzburg zurück.

Da der Dachverband aus guten Gründen annimmt, dass eine weiterführende Print-Version des »Salzburger Monat« für interessierte Bevölkerungsteile nicht geplant ist und nie geplant war, nehmen wir zur Kenntnis, dass manche Worte und Beschlüsse der Salzburger Landesregierung wohl nicht viel mehr als »Sprechblasen-Charakter« haben, und dass es zumindest derzeit wenig Interesse zu geben scheint, Salzburgs Bevölkerung für Kunst und Kultur der Gegenwart zu interessieren, ja, dass die Politik unserer Meinung nach ihrer Informationspflicht gegenüber der Bevölkerung nicht nachkommt. Wir bedauern dies sehr und fordern dazu auf, endlich ein deutliches Signal für Kunst und Kultur abzufeuern!

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Randisek (Geschäftsführer)
Tomas Friedmann (Vorsitzender)

ergeht an:

LH Mag. Gabi Burgstaller,LH-Stv. Mag. David Brenner
Landespressebüro – Dr. Roland Floimair
Parteien in Stadt und Land Salzburg
Mitglieder des Dachverbands Salzburger Kulturstätten

Medien

Salzburg: Offener Brief an die ÖVP Salzburg-Stadt vom 26. 11. 2009

Sehr geehrte Frau Gemeinderätin Dr. Werner!
Sehr geehrte Gemeinderäte der ÖVP-Salzburg!

Was ist los mit der ÖVP?

In der SN-Ausgabe vom 25. 11. 2009 versuchen Sie den Boykott der Salzburger Stadt-ÖVP, an der diesjährigen Kulturklausur teilzunehmen und deren Verweigerung dem Kulturbudget 2010 zuzustimmen, sowie das Kulturbild der Salzburger ÖVP zu rehabilitieren, indem Sie u.a. schreiben, die ÖVP hätte nie gefordert, die mittelfristigen Fördervereinbarungen (dreijährige Verträge mit Schauspielhaus, Toi-Haus, Rockhouse, ARGEkultur, Literaturhaus, jazzIT, galerie5020, Künstlerhaus etc.) aufzulösen, sondern »nur« auf 5 % ihrer Förderungen zu verzichten – was de facto klingt wie: »Wir behalten Sie in der Firma, aber verzichten Sie doch freiwillig auf einen Teil Ihres Gehalts, weil sich die neoliberale Wirtschaft verspekuliert hat«. Lautet so das ÖVP-Kulturkonzept? Wollen Sie so mit engagierten Menschen und deren Familien umgehen, um Kaufkraft und Wirtschaft zu schwächen? Werden Sie bei allen Partnern so schnell vertragsuntreu?

Weiters kritisieren Sie ein angeblich existierendes »Establishment« in der »alternativen Kulturszene« – ganz so, als wären wir noch in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts (in der angeblich »alternativen Szene« treten längst internationale Jazzgrößen, Literaturnobelpreisträger, Pop-Stars etc. ebenso auf wie junge Künstler/innen gefördert werden) und als hätte die ÖVP plötzlich etwas gegen ein Establishment. Wenn das so ist, dann sagen Sie doch bitte Ihrem Stadtpartei-Obmann, ÖVP-Vizebürgermeister Preuner, dass Kunst und Kultur mehr ist als »Profit aus Sommerfestspielen und Adventsingen«, wie er via Zeitung verkündet hat, und unterstützen Sie den Dachverband Salzburger Kulturstätten bei seinen Forderungen:

• Schaffung nachhaltiger Strukturen für Salzburgs Bevölkerung (z.B. Investitionen in das neu zu errichtende Kulturzentrum Lungau, in das städtische Kulturjugendzentrum MARK, in Stadtteilkultur, in kulturelle Integrationsprojekte).

• Abschluss und Einhaltung von mittelfristigen Verträgen mit Kulturstätten, die seit Jahren erfolgreich arbeiten, um Rechtsicherheit zu schaffen und Verwaltungskosten zu sparen.

• Bedarfsgerechte Förderungen von mittelständischen und kleinen Kultureinrichtungen in Stadt und Land (d.h. regelmäßig kritische Budget-Analysen und wenigstens jährlich automatische Anpassung an Inflationsraten sowie Erhöhungen erfolgreich arbeitender Kulturstätten, Künstler/innen etc.).

• Verstärkte Fördermaßnahmen für Kinder und Jugendliche durch Preise, Stipendien, zusätzliche Bildungs- und Projektgelder für Künstler/innen, Lehrer/innen, engagierte Kulturstätten und Vorbildfunktion durch regelmäßige Besuche von Kulturstätten aller Sparten.

• Anhebung der Kulturbudgets von derzeit 2 Prozent (Land Salzburg) bzw. 6 Prozent (Stadt Salzburg) der Gesamtbudgets auf 3,5 bzw. 7 Prozent sowie Diskussion über Neuverteilung – derzeit erhalten alle lebenden Künstler/innen, »freien« Kulturstätten, Projekte usw. gemeinsam nur einen kleinen Teil des Kulturbudgets, um den sie jährlich kämpfen müssen; der Hauptteil der Kulturbudgets geht einzementiert an wenige gesetzlich verankerte große Institutionen wie Festspiele, Museen, Landestheater etc.

• Unterstützung einer Medien-Offensive PRO KULTUR der Gegenwart (z.B. Erhaltung oder Schaffung eines Monatsmagazins mit allen Kulturterminen in Stadt und Land Salzburg zur Information von Bevölkerung wie Gästen, verstärkte Berichterstattung über Salzburger Initiativen, die – entgegensetzt mancher Vorurteile – oft internationalen Zuschnitt haben, mehr Interviews zu kulturpolitischen Themen, verstärkte Presse-Förderung für engagierte Medien, »ORF-Schilling« für freie Radios).

• Kritische Diskussion neuer Förderrichtlinien-Ansätze nach unserem Vorschlag: 50 Prozent aller öffentlicher Kulturgelder für lebende Künstler/innen, deren Werke und Vermittlung.

• Evaluierung, Einhaltung und Umsetzung des vom Gemeinderat beschlossenen Kulturleitbildes durch alle politischen Parteien und deren Vertreter.

Sie wissen, verehrte Frau Gemeinderätin, dass die Kulturbudgets 2010 in Stadt und Land stärker reduziert werden als die Gesamtbudgets. Sie wissen, dass einzelne Initiativen in der Stadt um bis zu 25 Prozent gekürzt wurden. Sie wissen, dass viele SalzburgerInnen (mehr Frauen als Männer) ehrenamtlich oder für wenig Anerkennung, geringfügig oder sonst risikoreich beschäftigt in den Bereichen Kultur, Bildung und Soziales arbeiten, um unser System eines hohen Lebensstandards für möglichst viele Menschen aufrecht zu erhalten. Und obwohl Sie das alles wissen, greifen Sie in rufschädigender, unfairer und vorverurteilender Art und Weise die gesamte Szene an mit Worten wie »Viele halten das Türl zu, sobald sie selbst im Obstgarten drin sind.«

Frau Dr. Werner, Sie sollten sich öffentlich entschuldigen bei allen ehrenamtlich-engagierten Bibliothekarinnen, bei allen Künstlerinnen und Künstlern, bei allen bemühten Kulturstätten von Volksmusik über Theater und Film bis zur Bildender Kunst, bei all jenen, die sich täglich und zum Teil selbst aufopfernd für die Förderung von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Diese Menschen haben auch Familien und arbeiten für die Öffentlichkeit, ohne dafür Politiker- oder Festspielgagen zu erhalten! Apropos: Wenn – wie Ihr ÖVP-Landeshauptmann-Stellvertreter Haslauer meint – ein Hollywoodfilm, in dem Salzburg ein paar Minuten vorkommt, sei ein Riesengeschäft für Salzburgs Gastronomie und Hotels, wenn also Teile der Tourismus-Wirtschaft so gut daran verdienen (was wir allen vergönnen), dann sei die Frage erlaubt, warum man in Zeiten des Sparens 300.000 Euro aus Steuergeldern zuschießen muss und nicht die Wirtschaft das Geld aufbringt?! Die gleiche Frage sei auch Richtung Osterfestspiele erlaubt, die als Karajan-Festspiele vor 40 Jahren angetreten sind mit dem Anspruch, sich privatwirtschaftlich zu finanzieren, d.h. ohne Subventionen (beim Jazz-Herbst war es genauso), um dann mehr und mehr öffentliche Gelder zu fordern. Was sagt die Salzburger ÖVP, die einerseits für profit-orientierte Kultur ist und neuerdings gegen ein Establishment, zum Vorschlag, profitable Kultur-Events künftig aus der Wirtschaftsförderung zu unterstützen, um die Kulturbudgets verstärkt für Kunst und Kultur der Gegenwart und für die Förderung junger Künstler/innen frei zu machen?

Der Dachverband Salzburger Kulturstätten setzt sich seit 20 Jahren für einen Kulturbegriff abseits der Bussi-Bussi-Kultur ein, unser nachhaltiges Kulturverständnis ist nahe bei den Menschen und für alle Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Land Salzburg. Damit vertreten wir derzeit 77 Initiativen mit insgesamt über 1 Millionen Besucher/innen. Wir laden Sie und die ÖVP gerne zu einem öffentlichen Gespräch ein, um über Kunst und Kultur zu diskutieren und um offensichtlich vorhandene Informationsdefizite und Schranken abzubauen.

Mit freundlichen Grüßen

Dachverband Salzburger Kulturstätten/Vorstand

• Tomas Friedmann (Vorsitzender Dachverband, Literaturhaus Salzburg)

• Robert Wimmer (Lungauer Kulturvereinigung)

• Christoph Batscheider (Schauspielhaus Salzburg)

• Michaela Mayer (Kunsthaus Nexus, Saalfelden)

• Helga Besl (Tennengauer Kunstkreis)

• Gerd Pardeller (MARK.freizeit.kultur)

• Markus Steinwender (kleines theater)

• Thomas Randisek (Geschäftsführer)

Diesen Artikel empfehlen. Teilen mit:

Visits: 0

Dorfladen

Kommentar hinterlassen zu "Kunst ist keine Wurstsemmel. Offene Briefe."

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*