Im Sitzen läuft es sich besser davon – das große Warten

Olaf Salzer (Herr Renk), Daniela Enzi (Gerda)

Alois Hotschnigs hochgelobter, 2009 erschienener Erzählband wurde von Renate Moller-Linsler für die Bühne eingerichtet.

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Von Elisabeth Pichler

Die Uraufführung des tragisch-komischen Stückes, in dem es um das Abdriften in die Demenz geht, fand in Anwesenheit des Autors am 5. März 2016 im Schauspielhaus Salzburg statt.

Bei einem betagten, leicht verwirrten Ehepaar dreht sich alles um den an der Wand hängenden Essensplan für die kommende Woche. Immer wieder werfen Gerda und Karl einen Blick darauf, um nachzusehen, was „Essen auf Räder“ in den nächsten Tagen bringen wird. Sie erinnern sie dabei an ihre früheren Reisen, an die Muscheln aus Cattolica und den Kugelfisch aus Antares.

Christiane Warnecke (Assistentin), Julia Gschnitzer (Frau Orter)
Christiane Warnecke (Assistentin), Julia Gschnitzer (Frau Orter)

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Jetzt müssen sie sich mit „Spinat, Püree, Spiegelei und Salat“ zufriedengeben, denn ihre neuen Reisen sind die Besuche im Altersheim. Obwohl sich die beiden nicht immer einig sind, wissen sie eines ganz gestimmt: „Ins Heim wollen wir nicht!“ Großartig Harald Fröhlich als Karl, dessen Verfall betroffen macht, und Daniela Enzi als seine Ehefrau, die seine Wutausbrüche mit Engelsgeduld erträgt.

Julia Gschnitzer (Frau Orter)
Julia Gschnitzer (Frau Orter)

Die Singstunde im Altersheim kann die Insassen nur kurz von ihren persönlichen Problemen ablenken, denn die stets fröhliche, eigentlich noch recht rüstige, doch etwas orientierungslose Frau Orter (großartig Julia Gschnitzer) ist ständig auf der Suche nach ihren Zähnen, die sie unbedingt für die Sonntagsmesse braucht. Frau Harter (erschreckend authentisch Ulrike Arp) wartet mit ihrem Koffer vergeblich auf ihren Mann. Herr Renk (Olaf Salzer), ein ehemaliger Sänger und noch immer großer Charmeur, schwadroniert ständig über die Wichtigkeit seiner Kaffeehausbesuche. In der letzten Szene versammeln sich die Heimbewohner im Wartezimmer einer diabolisch wirkenden Ärztin (furchteinflößend Christiane Warnecke) und warten darauf, aufgerufen zu werden. Wann wird man sie einlassen, heute, morgen oder erst nächste Woche?

Die mit Holz verkleidete Bühne (Ausstattung: Mirjam Benkner) mit ihrem umgehenden Handlauf symbolisiert eine abgeschottete Welt für eine ausgemusterte Gesellschaft, für die Alten, die Kranken, die Irren. Alois Hotschnig sieht sein Stück als Hommage an Samuel Beckett, Franz Kafka und Thomas Bernhard und nimmt mit großem Sprachwitz und absurden Dialogen der letzten Strecke des Lebens etwas die Trostlosigkeit. Das von Max Claessen einfühlsam in Szene gesetzte Stück macht betroffen und hinterlässt ein leicht verunsichertes Publikum, das dem großartig aufspielenden Ensemble jedoch kräftig applaudiert.

„Im Sitzen läuft es sich besser davon“ – Uraufführung von Alois Hotschnig – für die Bühne eingerichtet von Renate Moller-Linsler. Regie: Max Claessen. Ausstattung: Mirjam Benker. Mit: Daniela Enzi, Harald Fröhlich, Marcus Marotte, Olaf Salzer, Julia Gschnitzer, Ulrike Arp, Christiane Warnecke. Fotos: Gregor Hofstätter

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