„Vorhang!“- Wirklich alles nur Theater?

Im Schauspielhaus Salzburg nimmt eine verbitterte, zutiefst gekränkte und unwahrscheinlich wütende Schauspielerin späte Rache an einem gefürchteten Kritiker, der durch seine harten Worte ihre Karriere vernichtet hat. Der Autor Charles Marowitz weiß, wovon er spricht, denn als Kritiker waren „Schärfe, Witz und Verachtung“ seine Markenzeichen. Die Premiere der bissigen Komödie fand am 24. September 2016 im Studio statt.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Die kesse Produktionsassistentin eines Kultursenders empfängt den gelangweilten Theaterkritiker Charnick in einem altehrwürdigen, leerstehenden Theater. Vor dem Eintreffen der übrigen Gäste kredenzt sie ihm ein Glas Wein nach dem anderen. Der überhebliche Charnick wird immer zudringlicher, aber auch zunehmend müder, bis er schließlich vom Sessel kippt. Sein Erwachen ist grausam, findet er sich doch mit einer Henkersschlinge um den Hals auf einen Thron gefesselt wieder. Die freundliche junge Dame mit dem süßen französischen Akzent steht nun in Kostüm und Maske der Lady Macbeth hinter ihm und begrüßt ihn als König Duncan. Das verspricht nichts Gutes. Das verabreichte Betäubungsmittel macht den Kritiker zwar anfangs noch sprachlos, doch bald schon beginnt er zu toben.

___STEADY_PAYWALL___

Die Vorwürfe von Mitzi Crenshaw, an die er sich kaum noch erinnern kann, prallen an ihm ab. Doch diese ist wegen seiner herzlosen Berichterstattung nicht etwa nur „eingeschnappt“, sie hat in sich „eine Wut der tödlichen Art“ entdeckt. Charnick wird dazu verdonnert, als gefesseltes Publikum ihre größten Triumphe, die er einst gnadenlos niedergemacht hatte, noch einmal zu erleben und neu zu bewerten Als er aber nur ein gequältes „nicht schlecht“ hervorbringt, scheint seine letzte Stunde geschlagen zu haben. Da taucht Mitzis Mann auf und bringt endlich „eine Woge der Vernunft“ auf die Bühne.

Daniela Enzi beweist Wandlungsfähigkeit sowie Mut zur Hässlichkeit. Als Produktionsassistentin versprüht sie jugendlichen Charme, als alternde Schauspielerin muss sie oftmals auf eine schmückende Perücke verzichten und trägt nur ein Haarnetz. Mit passendem Kostüm und passender Haarpracht legt sie aber so richtig los, denn als Lady Macbeth, als Julia oder als Frau Alving aus Ibsens „Gespenster“ zelebriert sie theatralisches, altmodisches Theater und bringt damit Charnick zur Verzweiflung. In dieser Rolle kann es Antony Connor trotz seiner trostlosen Lage nicht lassen, süffisante Gemeinheiten über den Theaterbetrieb und die Schauspieler im Speziellem von sich zu geben. „Welcher Mensch, der alle Tassen im Schrank hat, sucht sich so einen Beruf aus.“ Nach der Pause gesellt sich Harald Fröhlich als Mitzis Ehemann, dessen Karriere als Schauspieler ebenfalls durch Charnicks vernichtende Kritiken ruiniert wurde, zu dem streitbaren Duo.

Isabel Graf hat eine entzückende kleine Bühne, auf der angeblich der Lincoln-Mörder Booth gespielt haben soll, auf die Bühne des Studios gestellt. Susi Weber hat diesen ironischen Blick hinter die Theaterkulissen, in dem die Schwächen von Schauspielern und Kritikern aufs Korn genommen werden, mit viel Tempo aber auch Gefühl in Szene gesetzt.

„Vorhang!“ von Charles Marowitz. Regie: Susi Weber. Ausstattung: Isabel Graf. Mit: Daniela Enzi, Antony Connor, Harald Fröhlich. Fotos: Schauspielhaus/ Jan Friese

 

Diesen Artikel empfehlen. Teilen mit:

Dorfladen

Kommentar hinterlassen zu "„Vorhang!“- Wirklich alles nur Theater?"

Hinterlasse einen Kommentar