Asip, dessen Schicksal in Angela Schneiders Jugendstück erzählt wird, existiert wirklich und lebt jetzt in Wien. Im Kleinen Theater schlüpft der syrische Flüchtling Alaaeldin Dyab in die Rolle des aus Afghanistan geflohenen Asip. Die schicksalhafte Begegnung des ruhigen, besonnenen Jungen mit der verzweifelten, lebensmüden Jenny ist der Beginn einer Freundschaft, in der beide voneinander profitieren.
Asip, der mit seiner Familie aus Afghanistan fliehen musste, hat nur ein Ziel. Er will Olympiasieger für Österreich werden. Das Laufen ist für ihn zum Lebensinhalt geworden, er trainiert täglich. Eines Nachts trifft er auf Jenny, die sich von einer Brücke in die Salzach stürzen will. Im letzten Moment gelingt es ihm, das junge Mädchen zurückzuhalten. Zum Dank für ihre Rettung wird er beschimpft, geschlagen und gebissen. „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr!“, „Dieser Arsch, einer wie der andere!“ schreit sie ihm entgegen. Ihr Stiefvater hat sie und ihre Mutter im Stich gelassen und ist ohne ein Wort des Abschieds verschwunden. Als sie erfährt, dass Asip auch ohne Vater nach Österreich gekommen ist, ist das für sie nur eine Bestätigung: „Väter machen sich grundsätzlich davon, überall dasselbe!“ In ihrer grenzenlosen Wut macht sie alles nieder: Männer, ihre Mutter, die Schule und Afghanistan. Asip kommt zwar kaum zu Wort, doch schafft er es, sie zu einem Treffen am nächsten Tag zu überreden. Jennys Hasstiraden gehen jedoch weiter, für das Schicksal ihres Retters zeigt sie kaum Interesse. Da ihre Mutter, eine gefeierte Opernsängerin, kaum Zeit für sie hat, beschließt Jenny, ihren Vater in Mailand aufzusuchen. Vergeblich versucht Asip, sie von dieser Reise abzuhalten.
Zu Beginn der Probenarbeiten im Juni dieses Jahres sprach Alaaeldin Dyab kaum ein Wort Deutsch. Bewundernswert, wie der 24-Jährige es schaffte, den umfangreichen Text dieses 80- minütigen Stückes in einer ihm fremden Sprache einzustudieren, wobei der Text erst mal vom Deutschen ins Englische übersetzt werden musste. Regisseurin Caroline Richards zeigt sich voll des Lobes. Man solle sich nur einmal vorstellen, wie schwer es für uns wäre, einen arabischen Text auswendig zu lernen. Als Jenny steht bzw. wütet die gebürtige Salzburgerin Sonja Zobel, die in London eine Schauspielschule besuchte, auf der Bühne. Julian Besch zeichnet verantwortlich für die großflächigen Videos, die Asip bei seinen Trainingsläufen zeigen.
In Angela Schneiders Stück prallen nicht nur zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander, sondern auch zwei völlig unterschiedliche Temperamente. Der zurückhaltende, stets freundliche und hilfsbereite Asip, der nicht gerne über seine Probleme spricht, und Jenny, das verwöhnte, unzufriedene, pubertäre Töchterchen aus gutem Hause, deren rotzfreche mit Schimpfwörtern gespickte Alltagssprache die aktuelle Flüchtlingsthematik dem jugendlichen Publikum nahebringt, ohne belehrend zu wirken. Auch die bei der Generalprobe am 11. Oktober 2016 anwesenden Lehrkräfte zeigten sich berührt und begeistert von der flotten Inszenierung.
„Asip & Jenny“ – Jugendstück von Angela Schneider. Theater Taka-Tuka 2016. Regie: Caroline Richards und Wilhelm Iben. Video: Julian Besch. Musik: Chris Német. Kostümbild: Ragna Heiny. Mit: Sonja Zobel und Alaaeldin Dyab.
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