„Hieronymus Bosch“ und der Garten der Lüste

Der Schweizer Autor Jérôme Junod hat das berühmte Triptychon des niederländischen Malers Hieronymus Bosch (um 1450–1516), das heute im Prado in Madrid zu besichtigen ist, in den Mittelpunkt seines Stückes gestellt. Die Uraufführung dieses anlässlich des 500. Todesjahres des Malers verfassten Auftragswerks fand am 5. November 2016 im Schauspielhaus Salzburg statt.

Elisabeth Pichler

Von Elisabeth Pichler

Im Prolog ist das Tafelbild noch zugeklappt und eine durchsichtige Weltkugel stellt den dritten Tag der Schöpfungsgeschichte dar. Gott hat Land und Meer voneinander getrennt und erste Pflanzen geschaffen, jetzt fragt er sich beim Betrachten der stacheligen Landschaft: „Was hab ich nur gemacht?“

Harald Fröhlich (Hieronymus Bosch)

Harald Fröhlich (Hieronymus Bosch)

Nachdem der Flughafen wegen „drei fanatisierten Vollkoffern“ gesperrt werden musste, bleibt Caroline, einer jungen Kunsthistorikerin, die zu einem Bosch-Symposium unterwegs ist, nichts anderes übrig, als ihren Frust mit Sliwowitz wegzuspülen, kräftig unterstützt von der Bardame Margarita. Das Bosch-Symposium 2016 im Institut für Kunstgeschichte, Medienwissenschaft und Meeresbiologie findet natürlich auch ohne Caroline statt, die am Flughafen ihren Rausch ausschläft. Namhafte Experten beobachten eine großflächige Projektion des Gartens der Lüste und sind sich alles andere als einig. Geht es auf dem Bild um gesunde, ehrliche Sexualität oder um einen lasterhaften Sündenkatalog? Am Ende des Symposiums ist man sich jedoch einig, „spannende und atemberaubende Einsichten“ gewonnen zu haben. Nach der Pause träumt Caroline, sie sei im mittelalterlichen Brüssel und warte darauf, den Meister persönlich in seinem Atelier zu sprechen. Die Dienerschaft zeigt sich fassungslos: „Wollen Sie sich die Schweinereien vom Meister wirklich anschauen?“

Caroline (großartig konfus und verpeilt Claire Thill) verliert am Flughafen fast die Nerven. Da helfen keine Power Moves, Sliwowitz muss her. Susanne Wende als bodenständige Bardame versteht zwar nichts von Kunst, aber umso mehr vom Leben und der Unzuverlässigkeit der Männer. Wie auf Boschs Bildern wimmelt es auch am Flughafen von rätselhaften Gestalten. Ständig tauchen Landstreicher, Bettler, grölende Fußballfans oder Touristen auf. Antony Connor steigt von der verschwitzten Küchenhilfe Slashka im zweiten Akt zum renommierten Kunstexperten auf, bevor er sich im Schlussakt als neidischer Maler „einer lästigen Filzlaus gleich“ im Atelier des Meisters herumtreibt. Auch Martin Brunnemann, Marcus Marotte, Harald Fröhlich, Ulrike Arp und Kristina Kahlert glänzen in den unterschiedlichsten Rollen. Frederic Soltow hat während des Symposiums ständig Probleme mit dem Computer, bevor er als zurückgebliebener Anton, völlig frei von Sorgen und Sünden, nackt durch das Atelier des Meisters irrt. Jasmin Ritupe betanzt als teuflische Fabelfigur das Triptychon und fühlt sich auch im Atelier des Meisters als symbolhafte Eule wohl.

Robert Pienz, der das Stück in Szene gesetzt hat, bekannte in der Einführung, das Stück sei das „fatale Ergebnis eines Kulturgespräches“. Fasziniert vom hohen „Restwert an Verunsicherung“, die die Bilder von Hieronymus Bosch auch nach 500 Jahren noch aufweisen, habe er den hochgebildeten Theaterpraktiker Jérôme Junod beauftragt, eine Hommage an den Maler zu schreiben. Er war sich bewusst, dass man nicht immer bekomme, was man bestellt habe. Diesmal ist meiner Meinung nach die Rechnung jedoch voll aufgegangen. Der faszinierende, unterhaltsame Theaterabend nimmt das Publikum mit in die rätselhafte Welt des Hieronymus Bosch und weckt das Interesse, sich intensiv mit dem „Garten der Lüste“ auseinanderzusetzen. Eine interaktive Onlineplattform, auf der das Tafelbild bis ins kleinste Detail aufgelöst und erklärt wird, bietet sich da an. Viel Vergnügen!

„Hieronymus Bosch“ von Jérôme Junod. Uraufführung. Regie: Robert Pienz. Ausstattung: Ragna Heiny. Musik: Georg Brenner. Video: Michael Winiecki. Tanz: Jasmin Rituper. Mit: Claire Thill, Harald Fröhlich, Susanne Wende, Antony Connor, Frederic Soltow, Martin Brunnemann, Marcus Marotte, Ulrike Arp, Kristina Kahlert. Fotos: SSH/ Jan Friese

 

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