„Die Macht der Gewohnheit“ – morgen in Augsburg

Thomas Bernhards Künstlerkomödie wurde 1974 im Rahmen der Salzburger Festspiele im Salzburger Landestheater uraufgeführt. In der Rolle des Zirkusdirektors Caribaldi schimpfte und tobte damals der großartige Bernhard Minetti, Dieter Dorn führte Regie. Nun inszeniert Marco Dott das Stück auf der Bühne 24 im Marionettentheater mit Marcus Bluhm als cholerischem, monologisierendem Wüterich.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Zirkusdirektor Caribaldi zelebriert seine vielen Zwangshandlungen und Marotten, besonders während der täglich stattfindenden Proben des Forellenquintetts von Schubert. Er nervt damit seine Mitspieler, die alle mit wenig Begeisterung bei der Sache sind. Der Jongleur behauptet, er werde den Zirkus bald schon Richtung Bordeaux verlassen, da er dort nicht nur die grandiose Tellernummer, sondern auch seine Kunstpudelnummer zeigen dürfe. Mehr Geld und eine Kleiderzulage gäbe es natürlich auch.

Zur Strafe für diese Unverschämtheit täuscht Caribaldi eine „altersbedingte Fingerschwäche“ vor, verliert ständig sein Kolophonium und lässt den Jongleur auf dem Boden herumkriechen. Nach und nach trudeln die restlichen Artisten ein: sein seiltanzendes Enkelkind, der einfältige Spaßmacher und zuletzt sein Vetter, der betrunkene Dompteur, der wieder einmal die Probe sabotiert. Für Caribaldi sind sie alle unglückliche Figuren, lebenslängliche Nervensägen, einfach widerwärtig. Seit 22 Jahren versucht er nun, eine fehlerfreie Aufführung hinzubekommen, doch mit diesen ungebildeten Banausen wird das wohl nie möglich sein. Aber vielleicht wird ja morgen in Augsburg alles besser.

Neben dem sprachmächtigen Caribaldi darf auch der Jongleur (Hanno Waldner) längere Reden schwingen. Er begehrt zwar auf, kann sich jedoch nie durchsetzen und befolgt schließlich servil die unsinnigsten Befehle des großen Meisters. Die Enkeltochter (entzückend naiv Janina Raspe), befolgt ebenso brav die Forderungen ihres rücksichtslosen Opas, nervt ihn aber mit ihrem schrillen Lachen.

Der Spaßmacher (Walter Sachers) hat mit seiner Seidenkappe zu kämpfen. Dies sorgt zwar in der Manege für Heiterkeit, bei der Probe treibt es Caribaldi aber fast in den Wahnsinn. Der schäbig grinsende Dompteur (Axel Meinhardt) hat sich wohl die größte Tortur für den Zirkusdirektor ausgedacht. Er ist ständig betrunken und frisst stinkenden Rettich.

Für diese bunte Truppe, die es hervorragend versteht, die Kunst zu sabotieren, hat Katja Schindowski einen in Schwarz-Weiß gehaltenen Probenraum, der etwas in Schieflage geraten ist, auf die Bühne 24 im gemütlichen Marionettentheater gestellt. Die Zuseher, die die Pause zur Flucht vor zu viel Thomas Bernhard nutzen, verpassen das köstliche Finale, in dem Marcus Bluhm zu Höchstform aufläuft.

 

„Die Macht der Gewohnheit“ von Thomas Bernhard. Inszenierung: Marco Dott. Bühne und Kostüme: Katja Schindowski. Mit: Marcus Bluhm, Janina Raspe, Hanno Waldner, Axel Meinhardt, Walter Sachers. Fotos: © Anna-Maria Löffelberger

 

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