FRAUmitHUND | BILDER & GESCHICHTEN

In 2014 habe ich damit begonnen, Frauen und ihren Hund, ihre Hunde, zu fotografieren. Irgendwie ist das eine besondere Beziehung, die ich versuchte, zu dokumentieren. Ich hatte eine Reihe wunderbarer Begegnungen. Oft berührende Geschichten durfte ich festhalten. 2016 habe ich das Projekt beendet. Mein Dank gilt den Modellen.

Von Rochus Gratzfeld, Salzburg und Sarród

Als Soziologe beschäftigen mich immer wieder Themen rund um das Sozialverhalten von Menschen. Darüber schreibe ich, darüber erstelle ich Fotoreportagen. Als eingefleischter „HundeMann“ hat mich die Rolle interessiert, die Hunden über die vergangenen Jahre im Zusammenleben mit Menschen zukam und gegenwärtig zukommt.

Ich unterscheide dabei folgende Phasen, die sich teilweise bis heute überschneiden:
Phase I: Hund als reines Nutztier (Schutz, Jagd, Hüten)
Noch heute ist dies in den meisten Ländern Osteuropas, in Ländern mit überwiegend ruralen Strukturen (z.B. Mongolei, Türkei) die zentrale Funktion, welche Hunde zu erfüllen haben.

Phase II: Hund als Statussymbol des Mannes
Galt insbesondere in der Zeit 1950-1980 und gewann auch bei jungen Männern mit der Verbreitung sogenannter Kampfhunde in unserem Jahrtausend wieder an Bedeutung.

Phase III: Hund als Familienmitglied
Ab den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Phase IV: Hund als Partner von Frauen, teilweise auch als „modisches Accessoire“
Kam auf um die Jahrtausendwende.

Jeder der oben angeführten Phasen können bestimmte Hunderassen zugeordnet werden.

Das Projekt FRAUmitHUND basiert auf der Phase IV. Ich habe versucht, mit Bildern und Worten dieses Phänomen zu beschreiben und zu visualisieren. Hunde als Partner, Freunde, Seelentröster, Begleiter, Sportkameraden.

Ganz besonders freut mich, dass die Bilder bis April dieses Jahres in der Tierarztpraxis Lamprechtshausen von Dr. Karl Traintinger und Magistra Heidi Hirscher dem Publikum zu den Praxiszeiten zugänglich sind. Die Geschichten liegen zur Lektüre ebenfalls dort aus.

Die Vernissage fand am 10. Februar statt. Sie wurde eröffnet vom LAbg. Hofrat Landesveterinärdirektor Dr. Josef Schöchl in Anwesenheit von Bürgermeister Ing. Johann Grießner unter grosser Beteiligung von Besucherinnen und Besuchern. Dr. Karl Traintinger stellte mich und das Projekt vor. Im Übrigen fand das Ereignis große Resonanz in der gedruckten Presse.
Gitarre und Saxophon sorgten für klangvolle Unterhaltung.

Zu den Geschichten hier ein Beispiel, welches wohl niemanden „kalt lassen“ kann:

DURCH DICK UND DÜNN
 „Eigentlich sollte es ein schöner Neustart werden. Nachdem ich die Starre, die der Tod meines Vaters über mich gebracht hatte, jeden Tag schmerzhafter zu spüren begann und endlich die Kraft aufwenden konnte, etwas dagegen zu unternehmen, beschloss ich in Bildungskarenz zu gehen.

Gerade als die notwendigen bürokratischen Wege erledigt waren, bekam ich das Ergebnis einer Biopsie, die ich im guten Gewissen, dass es sich lediglich um eine Absicherung einer harmlosen Kalkablagerung in meiner rechten Brust handelte, durchführen hatte lassen.

Während der Arzt mit mir am Telefon spricht und mir die nächsten Schritte erklärt, breche ich unter der Nachricht zusammen. Ich kann nur noch meine Mutter und meinen Freund anrufen und die Diagnose ins Handy schreien, hysterisch schreien, wieder ganz weit weg aus meinem Körper.

Die nächsten Tage und Wochen bin ich sehr aufgekratzt, ich geh alles ganz professionell an, schreib mir Fragen zusammen, entgleite immer mehr meinen Gefühlen und schaffe es, zu existieren, ohne zu sein. Abläufe werden Routine, ich geh zur Chemo und denk nur daran, dass das alles vorübergehen muss und ertrage.

Ich bin nicht mehr mit mir verbunden, ich erlebe alles als Beobachter, der nichts lieber würde, als davon zu laufen, um das alles nicht mehr mitansehen zu müssen. Es sind keine schönen Geschichten, die das Leben in den Chemo-Zentren schreibt. Mir wird das Brustgewebe fast vollständig entfernt und der Verlust mit Silikon wieder gut gemacht, ein Gefühl von Plastik in mir, ich denk nicht weiter darüber nach.

Im Gebäude, in dem ich im Krankenbett liege, ist auch die Geburtenstation untergebracht. In den Nächten, in denen mir das Schlafen zu schwer fällt und ich vermeintlich ziellos durch die Gänge spaziere, lande ich immer wieder vor dem Kreissaal, und freu mich, wenn eine Frau mit ihrem Neugeborenen an mir vorbeigeschoben wird. Ich stehe und lausche, um die ersten Schreie der neuen Menschen zu hören, die es gerade auf unsere Welt schaffen. Ich versuche nicht darüber nachzudenken, ob ich jemals die Liebe einer Mutter für ihr Kind empfinden werde können. Hauptsache leben, denk ich, alles andere kann man schon ertragen, denk ich. Fünf Jahre lang noch eine Antihormontherapie, die mich vorübergehend in den Wechsel bringt. Selbst ein Kind zu bekommen wird immer unwahrscheinlicher, aber um mich herum, bei meinem Freund, meinen Freunden, meiner Mutter und meiner Familie herrscht der liebevolle Konsens, dass ich mit Sicherheit, wenn alle Behandlungen abgeschlossen sind, selber Mama werde. Ich will nur einfach nicht sterben, denk ich und lächle zuversichtlich in die Runde, natürlich, es wird alles gut werden.

Man wird verrückt, wenn man so viel nachdenkt, daher ins Tun kommen. Ich wollte immer schon einen Hund und hab immer auf den richtigen Moment gewartet, wenn das Haus mit Garten in mein Leben getreten ist, wenn, wenn, wenn. Der einzige richtige Moment, der für mich noch existiert ist JETZT.

Ich will einen Welpen, ich will ein Baby. Meine Familie meint, dass der Hund mein Ersatzkind wird, ich bin mir nicht sicher, ich glaub, ich will einen Welpen, weil ich Welpen süß find, ganz profan, ohne tieferen Grund dahinter, falls es sowas überhaupt gibt.
„Das ist Lotte. Wär die was für Euch?“

Braune, zerzauste Haare stehen wild von ihrem Kopf weg, die Ohren wuscheln um ihr kleines Gesicht, sie sieht direkt in die Kamera, sie schaut mich an. Eine halbe Stunde später an diesem Samstag sitzen wir im Auto und fahren zwei Stunden, um Lotte kennen zu lernen.  Das Gartentor geht auf, ein Welpe stürzt heraus, auf uns zu und zerrt an unseren Beinen, ein anderer bleibt im Hintergrund, trottet langsam heraus und schnüffelt ein wenig an uns herum.

Heute sitze ich, knapp ein Jahr nach dem schlimmsten Moment in meinem Leben, in der Sonne vor dem Haus im Garten. Mein Hund vergräbt sich im Schnee, kommt zu mir gerannt und legt die Schnauze auf meine Knie. Sie ist mein Glückshund. Ich weiß, ich werde gesund bleiben. Ich weiß, ich werde viele meiner Träume und Leidenschaften noch ausleben. Ich schau Momo an, und weiß, dass Leben ist einfach schön.

Rochus Gratzfeld
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