Christine Winter ließ sich von Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker zu einer Performance mit Schauspielern, Bewegungschor, Tänzern und Akrobaten inspirieren.

Von Elisabeth Pichler
Ohnehin bereits Autorin, Regisseurin und Produzentin des Stücks ist sie auch noch als Schauspielerin auf der Bühne zu erleben. Die Premiere fand am 10.2.2017 im ausverkauften Saal der ARGEkultur statt.
Nach einer frustrierenden Schulstunde marschiert die kleine Alice träumend durch die Straßen, wo sie von „zwei Witzfiguren“ angepöbelt wird. Die jugendliche Alice eilt ihr zu Hilfe und warnt sie vor den Gefahren, die hinter jeder Ecke auf sie lauern. Einer Einladung in den „White Rabbit Club“ können beide nicht widerstehen. Diese Lasterhöhle ist allerdings nichts für kleine Mädchen, denn hier herrscht die absolute Freiheit. Sie erweist sich jedoch als geeigneter Ort, um Erfahrungswerte zu sammeln.
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Auf diesem Spielplatz der Sehnsüchte treiben sich die Kreaturen der Nacht herum und eine verführerische Katze erklärt den beiden Mädchen, dass alles seine Moral habe, man dafür aber ein Auge haben müsse. Klein Alice ist schwer überfordert, findet sie sich doch plötzlich in den Armen des netten Lukas wieder. Der erste Kuss verändert so einiges.

Die Tage der unschuldigen Kindheit sind endgültig vorbei und nun muss sie, in einer Folie gefangen, miterleben, wie es mit der jugendlichen Alice weitergeht. Erste Enttäuschungen sind vorprogrammiert, auch die ungeborene Seite von Alice kann das nicht verhindern. Alice muss feststellen, dass sie sich selbst verloren hat und sich selbst fremd findet. Der Bewegungschor jedoch kennt die „Geheimnisse zum Glücklichsein“ und gibt sie dem Publikum mit auf den Heimweg.

Christine Winter hat ganze Arbeit geleistet und die emotionalen Texte der 14-jährigen Alice, ihre Suche nach dem Ich, mit einem spielfreudigen Ensemble in einer poetischen, etwas skurrilen Performance zum Ausdruck gebracht. Als wahrer Glücksgriff erweist sich Dorothee Höhn als kindliche Alice. Mit ihrem staunenden Blick voll Unschuld wirkt sie so authentisch, dass man wirklich glaubt, ein verwirrtes kleines Mädchen stünde auf der Bühne.
Kein Wunder, dass Lewis Carroll (Torsten Hermentin) von dieser „Karussellschönheit“ verzaubert ist. Victoria Morawetz als ungeborene Alice bewahrt stets die Ruhe und Übersicht, auch in gefährlichen Situationen. Elisabeth Breckner überzeugt als strenge Lehrerin, überforderte Mutter und extravagante Evelyn im Nachtclub. Der Bewegungschor bringt die unterschiedlichsten Emotionen zum Ausdruck, von Unschuld bis zu zündender Erotik.

Auch wer Lewis Carrolls Kinderbuch „Alice“, in der ein kleines Mädchen versucht, sich in einer unverständlichen, brutalen und gefährlichen Welt zu behaupten, nicht kennt, wird an diesem Abend ein wahres „Wunderland“ erleben. Alices Mutter mahnt ihre Tochter ständig: „Werde endlich erwachsen!“ Der Rat der Herzkönigin klingt wesentlich vernünftiger: „Werde nicht vor deiner Zeit erwachsen!“

„Alice – Anatomie einer Suche“ – Eine Performance nach Lewis Carroll‘s „Alice“. ARGEtheater – Koveranstaltung mit Christine Winter. Text und Regie: Christine Winter. Ausstattung: Morris Wick, Christine Winter. Bühne: Christine Winter. Musik: Christopher Biribauer. Choreographie: Margaretha Zach. Mit: Torsten Hermentin, Dorothee Höhn, Christine Winter, Victoria Morawetz, Thomas L. Hofer, Lisa Kuhn, Benjamin Büche, Morris Wick, Elisabeth Breckner. Bewegungschor: Felicitas Biller, Jana Hauswirth, Helena Hoffmann, Dorothee Horsch, Martin Ruhdofer, Christina Ottonson, Ursula Schwarz, Nina Vaas. Fotos: ARGEkultur/ Michael Größlinger
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