„Lupus in fabula“ – Requiem für einen Vater

Fotos: ARGEkultur | Andreas Hechenberger

Henriette Dushes Drama, in dem drei Schwestern mit Siechtum und dem nahen Tod des Vaters konfrontiert werden, wurde 2013 mit dem Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts ausgezeichnet. Petra Schönwald inszeniert das starke Stück, das wohl niemanden kaltlässt, ausdrucksstark und einfühlsam. Die Premiere fand am 24.2.2017 im Studio der ARGEkultur statt.

Elisabeth PichlerVon Elisabeth Pichler

Die Älteste hat sich jahrelang um den siechen Vater gekümmert. Jetzt sind seine Finger schon ganz blau und er gibt nur mehr ein rasselndes Röcheln von sich. Sie selbst hat schon lange vorgesorgt, ein neues schwarzes Kleid liegt bereit und die Grabrede ist schon vorformuliert. Die herbeizitierten Schwestern kommen mit dieser Extremsituation weniger gut zurecht. Die Jüngste leidet unter beruflichen und privaten Misserfolgen und wird nun wohl auf die gewohnte finanzielle Unterstützung verzichten müssen. Der Mittleren gelingt es nicht, den Vater mit ihrem Baby zu beeindrucken, das sie ihm aufs Krankenbett legt. Vor ihren massiven Problemen flüchtet sie sich gerne in eine Phantasiewelt, ständig auf der Suche nach Struktur und einem neuen Setting. Sie träumt von einer wilden, verwahrlosten Wiese, die nach feuchtem Laub, Gülle und Mist riecht, und imaginiert ihre Schwestern als Tiere, Comic-Figuren und Bräute in diese eigenwillige Landschaft.

Das gemeinsame Warten auf den Tod des Vaters lässt die drei Schwestern zwar näher zusammenrücken, doch wird auch in alten Wunden gestochert und gegraben. Der Ältesten wird Selbstgerechtigkeit vorgeworfen, hat sie als Kind doch ständig behauptet, immer „eins besser“ zu sein. Sie schlägt zurück und erzählt schonungslos von den unappetitlichen Aspekten der Pflege eines alten Menschen. Positiv besetzt sind die Erinnerungen an die jährlichen Urlaube an der Ostsee, leider war es „für ein anderes Meer immer zu knapp“.

Die Bühne ist mit einer dicken, aufgewühlten Erdschicht bedeckt, in der die Schwestern in zunehmender Verzweiflung graben und dabei auf Schätze, aber auch auf unangenehme Überraschungen stoßen. Anfangs sind die Damen noch adrett gekleidet und mit Gummistiefeln perfekt ausgerüstet. Im Laufe der 70-minütigen Performance legen sie nach und nach ihre Kleidung ab, bis sie schließlich in Unterwäsche, total verschmutzt vom vielen Graben und nass vom plötzlich einsetzenden Regen, ineinander verschlungen am Boden kauern. Die drei Schwestern (Sophie Hichert, Elisabeth Nelhiebel und Eva-Maria Weingärtler) haben trotz aller Selbstzweifel zueinander gefunden, das gemeinsame Leid verbindet.

Das Damentrio hat dieses poetisch-kunstvolle Requiem mit einer gehörigen Portion Selbstironie gewürzt und so Pathos und Rührseligkeit vermieden. Petra Schönwald realisiert nach „Joseph Fouché“ (nach Stefan Zweig) und „Kampf des Negers und der Hunde“ (Koltès) erstmals gemeinsam mit der ARGEkultur als Koproduzent ein Stück, in dem Alter, Tod und Vergänglichkeit schonungslos und offen thematisiert werden. Gratulation zu so viel Mut!

„Lupus in fabula“ von Henriette Dushe. Ein ganz diesseitiges Stück vom (Über-)Leben im Angesicht des Todes. Salzburger Erstaufführung. Eine Koproduktion von Petra Schönwald und ARGEkultur. Regie: Petra Schönwald. Bühne und Kostüme: Elke Gattinger. Mit: Elisabeth Nelhiebel („Die Älteste“), Sophie Hichert („Die Mittlere“) und Eva-Maria Weingärtler („Die Jüngste“). Fotos: ARGEkultur | Andreas Hechenberger

Diesen Artikel empfehlen. Teilen mit:

Dorfladen

Kommentar hinterlassen zu "„Lupus in fabula“ – Requiem für einen Vater"

Hinterlasse einen Kommentar