Briefe an Leonie

Maria-Schober-InnergebirgFoto: Im Pongau. © 2017 Karl TZraintinger

Liebe Leonie,
dies ist mein erster Brief an Dich und ich weiß noch nicht, wohin unsere Reise gehen wird.

Ich bin im Jahr 1965 zur Welt gekommen, also noch vor der sogenannten sexuellen Revolution. Dadurch habe ich den großen Wandel in unserer Gesellschaft nur indirekt mitbekommen, aber ich bin in der ersten Generation, die in den Genuss der Freiheiten gekommen ist, die tapfere Frauen für uns erkämpft haben. Als ich mit 21 Jahren heiratete und mit 23 Jahren meinen ersten Sohn bekam, war es für mich selbstverständlich, weiter zu arbeiten, selbstständig zu sein und natürlich mein eigenes Geld zu verdienen.

Maria Schober - Briefe an Leonie
Maria Schober. Foto: © Siweiss

So beginnt mein erster Brief in meinem Blog „Briefe an Leonie“.

Für mich Maria, 52 Jahre alt, Mutter von 5 Söhnen, seit 30 Jahren verheiratet, war es immer eine Freude, Familie und Beruf zu vereinbaren. Es war in Ordnung, sich am Nachmittag von den Kindern wegzuschleichen, um im Geschäft zu verkaufen, bei Sitzungen teilzunehmen und auch über finanzielle Strategien zu entscheiden.

Es war in meiner Umgebung und in der Gesellschaft hoch angesehen, wenn man als Frau diese vielen verschiedenen „Bälle“ ganz leicht jonglieren konnte. In der Werbung, in Zeitungen und in Spielfilmen sah man überall, dass es bewundernswert ist, wenn Frauen sich selbst verwirklichen.

Niemand sah die Tränen der Kinder, wenn sie mich vermissten und niemand sah den fast täglichen Schmerz in meinem Herzen und mein schlechtes Gewissen, wenn ich sie im Kindergarten oder bei der Omi zurückließ. Krippen gab es Gott sei Dank noch nicht, denn so habe ich meinen Kindern das ersparen können.

Der plötzliche Tod meiner Mama stellte dann meine Welt auf den Kopf.

Durch diesen für mich sehr schweren Schicksalsschlag und auch durch die damalige Krankheit meines jüngsten Sohnes, die mich emotional sehr herausforderte, wurde mir bewusst, dass ich für mich etwas ändern muss. Meine Ehe? Meine Familie? Meinen Weg?

Ich entschied mich, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ich weiß, das klingt jetzt kitschig, denn will das nicht jeder Mensch, sich selbst kennen?

Und so erfuhr ich eine der schockierendsten Erkenntnisse in meinem Leben, denn ich entschied mich, nach der Geburt meines Jüngsten, nur mehr geringfügig zu arbeiten, um mehr für meine Familie, für meinen Mann und für mich da zu sein.
Plötzlich war ich als „Mutter oder Hausfrau“ nichts mehr wert.
„Ich bin ja nicht so dumm wie Du“, solche und andere Sprüche bekam ich zu hören.
Ich brauchte sehr lange, bis mir bewusst wurde, um was es denn eigentlich geht. Die Gesellschaft und meine Umgebung hießen dieses Vorhaben einfach nicht gut.
„Ah ja, du bist ja nur mehr zu Hause“, h…

Visits: 11

Dorfladen

1 Kommentar zu "Briefe an Leonie"

  1. Klaus Hinterholzer | 9. Juli 2017 um 22:57 |

    Briefe an Leonie – ein schön gemachter Blog mit lesenswerten Geschichten!

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*