Der österreichische Dramatiker und Schauspieler Felix Mitterer, der sich selbst gerne als „Tiroler Heimatdichter und Volksautor“ bezeichnet, wird Anfang nächsten Jahres 70 Jahre alt. Im Kleinen Theater steht bis 29. Dezember 2017 sein grandioser Einakterzyklus über das Leben am Rande der Gesellschaft am Programm. Ein zutiefst berührender, aber auch sehr unterhaltsamer Theaterabend, den man nicht versäumen sollte.
Von Elisabeth Pichler
Während Doris Kirschhofer das Publikum mit „flirrenden Obertönen, vibrierenden Untertönen und schrägem Yodeling, vereint mit sinnlichem Akkordeon“ unterhält, stürmt Anita Köchl ohne Kostüm und Maske auf die Bühne. Mit ein paar geschickten Handgriffen wird aus der energiegeladenen Frau in besten Jahren eine körperlich gebrechliche Greisin, die im Altersheim den Besuch ihrer Schwiegertochter erwartet. Die dick- und sturköpfige Alte sudert dahin, fühlt sie sich doch hier wie in einem Gefängnis. Einziger Lichtblick sind die jungen Zivis, von denen sie sich nur allzu gerne baden lässt. Ein Beschwerdebrief über die untragbaren Zustände und das grauenhafte Essen im Heim ist schon unterwegs zum Bundespräsidenten.

Foto: Kleines Theater | Edi Jäger
In einem Frauengefängnis wird eine „Mörderin“ von ihrem Mann, den sie mit einem Messer erstechen wollte, besucht. Doris Kirschhofer leiht diesem nur die Gestalt, die gefühlskalte männliche Stimme kommt aus dem Off. Hier im Gefängnis fühlt sich die Täterin endlich frei, die langen Jahre der Unterdrückung durch und Schufterei für den ungeliebten Ehemann sind Vergangenheit, hier gibt es sogar echte Sonntage, an denen nicht gearbeitet wird.

Foto: Kleines Theater | Bernhard Rothschädl
Für die dritte Szene verwandelt sich Anita Köchl in einen alten, kahlköpfigen Mann, der die Wirklichkeit verdrängt. Seine Geschwätz über die Weltverschwörung der „Elektrischen“ und eine spektakuläre Aktion zur Verhinderung eines Autobahnbaues haben ihn schließlich in eine geschlossene Anstalt gebracht. Seine Tochter, der er die Schuld an all seinem Unglück gibt, kommt auf Besuch, doch der Verwirrte erkennt sie nicht, er ist nur wütend, dass er dauernd geduzt wird.
Anita Köchl beweist an diesem Abend Mut zur Hässlichkeit. Ihr in der ersten Szene beim Verzehr der heißgeliebten Erdnüsse, einem Mitbringsel ihrer Schwiegertochter, zuzusehen, ist ein komödiantisches Highlight, ihr listiger Blick spricht Bände. Den alten, wütenden Bauern verkörpert sie so realistisch, dass man fast vergisst, dass sich hinter der Maske eine Frau verbirgt. Doris Kirschhofer schlüpft in die Rolle der Besucher, die allesamt unter gesellschaftlichen Zwängen zu leiden haben. Zwischen den Szenen sorgt sie mit ihrer schrägen Musik, die sie selbst gerne mit Begriffen wie „Lakritzpop“, „Alpinfolk“ und „Heidigrunge“ umschreibt, für musikalische Höhepunkte. Auch die ganz speziellen raschelnden Knitterkostüme der „Eingeschlossenen“ bzw. „Weggesperrten“ hat sie entworfen.
Hanspeter Horner hat die „bittersüße Satire“, die hervorragend in die intime Atmosphäre des Kleinen Theaters passt, mit dem nötigen Gespür für Mitterers schrägen Humor in Szene gesetzt. Ein trotz des ernsten Themas urkomischer Theaterspaß, der bei der Generalprobe am 28.9.2017 von Abonnenten der Salzburger Nachrichten heftig bejubelt wurde.
„Besuchszeit“ – Bittersüße Satire von Felix Mitterer. Von und mit Hanspeter Horner (Regie), Anita Köchl (Schauspiel, Produktionsleitung), Doris Kirschhofer (Schauspiel, Musik und Kostüme).
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