Fürchte Gott, flatter nicht!

Rochus Gratzfeld AngstANGST, Digital Painting by Rochus Gratzfeld

So pflegte vor einem halben Leben unser damaliger Statistik-Professor die Prüfungen einzuleiten.
Nun denn.
Müssen wir heute flattern?
Müssen wir, wenn nicht Gott, so viel Anderes fürchten?

Rochus Gratzfeld: salzburgANDERS

Von Rochus Gratzfeld

Können wir uns im eigenen Land, in Europa, in der Welt nicht mehr sicher fühlen?
Ich fühle mich sicher und möchte mich nicht verunsichern lassen. Allerdings: Sicherheit ist höchst relativ und wird individuell erfahren. Auf den Tag genau – nachdem ich die Al-Ghriba-Synagoge auf Djerba in 2001 besuchte – erfolgte 2002 der fürchterliche Anschlag. In Budapest liebte ich es so um die gleiche Zeit in einem Kaffeehaus zu sitzen. Am Rand. Abends. Dort gab es auch einen Papierkorb. Zwei Wochen, nachdem ich das letzte Mal dort verbrachte explodierte in eben diesem Korb eine Bombe. Ich habe die Anschläge der RAF im Raum Frankfurt als junger Mann hautnah mitbekommen. Die Hysterie dieser Zeit. Ich habe mich nicht verunsichern lassen. In London explodierte vor einem Hotel eine Bombe, kurz nach dem ich abgereist war. Ich bin weiter gereist. Weniger spektakuläre Phänomene haben mich verunsichert. Die polizeilichen “Blogwächter” und privaten Spione, in der ehemaligen DDR, in die ich immer wieder reiste, und bei meinen Besuchen in China. Seit all dem ist viel Zeit vergangen. Art und Umfang der Bedrohungen haben sich qualitativ und quantitativ verändert. Nein, durch die Sahara würde ich nicht mehr reisen. Der gesamte Nahe Osten kann mir gestohlen bleiben. Erdogan und seine Spitzel, ja, das verunsichert mich. Das “Totmachen” von Meinungen. Ja, das beunruhigt mich, ekelt mich. Anschläge in ganz Europa haben zugenommen, obgleich wir statistisch auf der Time Line der letzten Jahre noch keinen Rekord verzeichnen – zum Glück! Der staatliche Kontrollwahn in Österreich, die staatliche Radikalisierung in diesem Land. Das will ich nicht. Dagegen kämpfe ich mit meinen Mitteln. Mit dem Bleistift.

Wirklich fürchten? Ja, ich fürchte mich vor Donald Trump. Vor Kim Jong-Un. Denn gegen die bin ich nun wirklich machtlos.

Und ich fürchte mich zusammen mit den Menschen, die Kurz & Co in das vermeintlich sichere Afghanistan zurücksenden (möchten). Allein in dieser Woche starben dort bei Terroranschlägen mehr als 200 Unschuldige.

Hat also die Zeit der Furcht eingesetzt? Ich sage klar NEIN. Eingesetzt hat aber die Zeit der Wachsamkeit. Der Wachsamkeit gegen die Furcht und deren fatale Konsequenzen. Die Grenzen unserer Freiheiten sind enger geworden. Dort, wo sie weit sein könnten, bauen wir wieder Zäune und Mauern. Ich korrigiere mich. Lassen die wieder Zäune und Mauern bauen, die glauben, vom allgemeinen Flattern politisch profitieren zu können. Eine fatale Entwicklung, aus der Kurz, Strache & Co Profit geschlagen haben. Die gerade geschlagene Wahlschlacht in Österreich ist ein trauriger Beweis. Der Untergang der Grünen ein Beleg für veränderte Werte – unabhängig von den vielen Fehlern, die die Partei selbst zu verantworten hat. Die liebe Eva ist daran ebenso mitschuldig wie die wortbrüchige Wiener Vizebürgermeisterin. Ulrike Lunacek ist kein Vorwurf zu machen. Außer, dass sie eine miserable Wahlkampagne mitgetragen hat und viel zu wenig ihre eigene höchst kompetente Persönlichkeit dem Männchen Kurz und dem Wehrsportler Strache entgegengesetzt hat. Sie wäre später für mich eine ideale Nachfolgerin des hervorragend agierenden Van der Bellen.

Der Sieg des Abtrünnigen Egomanen Pilz, der den Grünen quasi als Gero-Torero den Todesstoß versetze, passt ebenfalls ins Bild. Einer, der Kontrolle verspricht. Ein Führer abseits vom Rightstream. Sozusagen ein volksgewollter Gegenpol zum Machtduo KurzStrache. Versehen mit den gleichen Genen.

Kern. Um noch einen Augenblick bei den Wahlen in Österreich zu bleiben. Er hat mich zutiefst enttäuscht. Nicht wegen der peinlichen Auftritte als Pizzabote. Nein, gerade jetzt in diesen Tagen. Mit seinen verzweifelten Versuchen, an der Macht zu bleiben, statt wie Martin Schulz in Deutschland sofort und proaktiv in die Rolle einer starken Opposition die SPÖ zu führen. Pfui, die Anbiederung an die FPÖ.
Fürchte Gott, flatter nicht.

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