Franz Kafka: „Der Prozess“ – Schauspielhaus Salzburg

Sujetfoto: Clemens Kois / Schauspielhaus

Sujetfoto: Clemens Kois / Schauspielhaus

Elisabeth Pichler. Die Partygäste sind wohl etwas zu früh gekommen, denn Herr Josef K. ist noch nicht ganz angezogen. Eine von Barbara Hörtnagl neu adaptierte Fassung von Franz Kafkas Romanfragment „Der Prozess“ feierte am 24.2.2010 im Schauspielhaus Premiere.

Regisseur Steffen Höld hatte es am Premierenabend nicht leicht, denn er musste in Vertretung eines erkrankten Ensemblemitglieds selbst auf der Bühne stehen und war somit einer der acht chaotischen Gäste, die Herrn Josef K. zu seinem 30.Geburtstag gratulieren. Dieser kann nicht begreifen, was da vor sich geht. Traumwandlerisch bewegt er sich zwischen seinen aufgedrehten Gästen, die begeistert Sekt schlürfend ganz nebenbei verkünden, dass er verhaftet wurde. Doch das scheint nicht so ernst zu sein, denn man versucht ihn ständig  aufzumuntern, indem man ihm versichert: „Du bist doch nur verhaftet, weiter nichts.“ „Nimm es doch nicht so ernst.“ Eine gute Stunde ist Herr Josef K. einfach sprachlos und hört sich kommentarlos Episoden aus seinem Leben an. Jeder der Gäste übernimmt dabei mehrere Rollen und spricht immer wieder einmal auch für ihn. So hört er ständig: …..sagt Herr K.,…..sagt Frau Erna, Frau Bürstner, Frau Grubach u.s.w. Das Publikum ist gefordert, höchste Konzentration ist angesagt, sonst verliert man den Faden.

Foto: Eva Maria Griese / Schauspielhaus Salzburg

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Gegen Ende der Vorstellung beruhigt sich die Situation auf der Bühne, die Gäste nehmen  ihren Rollen entsprechend Stellung, Harald Fröhlich erläutert ausführlich den Unterschied zwischen scheinbarem und verschlepptem Freispruch. Nach dem Versuch einer Verteidigungsrede nimmt Herr Josef K. gelassen die Verurteilung an, denn er hat eingesehen, dass es keinen Freispruch geben kann, obwohl er weder weiß, wer ihn angeklagt hat, noch wofür er verurteilt wurde.

Foto: Eva Maria Griese / Schauspielhaus Salzburg

Foto: Eva Maria Griese / Schauspielhaus Salzburg

Die riesige weiße Bühne (Georg Lindorfer) mit ihren vielen Quadern, die je nach Bedarf umgruppiert werden, ist beeindruckend, wirkt steril und kalt und steht im krassen Gegensatz zu der eigenwillig gekleideten Partytruppe (Kostüme: Cornelia Kraske). So wird das Grauen durch das Komische verstärkt und wirkt noch bedrohlicher. Regisseur Steffen Höld war es wichtig, auch den Humor Kafkas auf die Bühne zu bringen und so kam er auf die Idee  zu dieser absurd komischen Geburtstagsparty. Das gesamte Ensemble ist mit viel Spielfreude bei der Sache, Oliver Hildebrandt muss den ganzen Abend mit einem Gesichtsausdruck des absoluten Unverständnisses bestreiten. Abgesehen von ein paar Wutausbrüchen („Wut und Angst brauchen Muskelspannung“) findet er schnell immer wieder in seine Lethargie zurück.

Foto: Eva Maria Griese / Schauspielhaus Salzburg

Foto: Eva Maria Griese / Schauspielhaus Salzburg

„Der Prozess“ gilt als Kafkas Hauptwerk, mit Sicherheit ist es sein weltweit bekanntestes, meistzitiertes Werk. Auch der Begriff „kafkaesk“ wird am häufigsten im Zusammenhang mit Situationen verwendet, die den Erlebnissen des Angeklagten Josef K. ähneln: Erfahrungen einer absurden, lebensfeindlichen und sich verselbständigenden Bürokratie. Die Thematiken des Stückes: Selbstentfremdung, Vernichtungsängste, Desorientierung, Anonymität und die totale aktenmäßige Erfassung des Menschen sind von erschreckender Aktualität.

Ein beeindruckender Theaterabend, der Kafka nicht als leichte Kost serviert, auch wenn die Groteske überwiegt.

Foto: Eva Maria Griese / Schauspielhaus Salzburg

Franz Kafka – Der Prozess / Bühnenfassung von Barbara Hörtnagl / Regie: Steffen Höld / Bühne: Georg Lindorfer / Kostüme Cornelia Kraske / Musik: Fadi Dorninger / Mit: Daniela Enzi, Harald Fröhlich, Elke Hartmann, Oliver Hildebrandt, Philip Leenders, Marcus Marotte, Timo Senff, Volker Wahl, Christiane Warnecke

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