Der Pakt mit Herrn NÖÖ

Christian Ploier

Christian Ploier

Ein Wandermärchen erzählt von Christian Ploier

„Wirst du mir von Herrn Nöö erzählen, Tschutscha“, rief die Eule

„Von einem Paar Schuhe und der Seele, Ethel.

Der Mond ist still im Wasser und ich beginne die Geschichte zu vergessen.“

Und Tschutscha der Hund hustete bevor er begann:

Herr Nöö beschloss an einem schönen Morgen seinen Garten zu verlassen, um den Menschen einen Gefallen zu tun. Er maß sich eine stattliche Gestalt an und mit wenigen Zauberworten wendete er sich einer schönen Stadt zu. Dort vor den Mauern der Stadt lagerten zahlreiche Händler, die ihre Waren feilboten. Unter ihnen stand ein anmutiger Jüngling, der mit einem Händler um Ziegenfelle feilschte. Geschickt mischte sich Herr Nöö unter die Leute. Schließlich fand er den Jüngling unter einem Baum bei frischem Tee sitzend.

„Manche Dinge bekommt man nicht, auch wenn man sich mit seinem ganzen Herzen danach sehnt“, begrüßte er den Jüngling und ohne auf dessen Antwort zu warten, setzte er sich neben ihn.

„Ich glaube zu wissen, dass Ihr einen Wunsch in Eurer Seele trägt, der Euch unerfüllbar scheint“, redete er flink weiter. „Ein Wunsch, der wie Feuer auf Eurer Seele brennt. Ihr möchtet doch ein großer Sänger werden, dessen Lieder alle Völker singen? Oder irre ich mich?“

Der Jüngling blickte den Fremden erschrocken an, fasste sich aber schnell. „Um solche Dinge zu erraten, müsst Ihr ein Magier sein“, antwortete er.

„Nein”, rief Herr Nöö lachend, „ich bin nur ein guter Geschäftsmann, der gelernt hat, die geheimsten Wünsche seiner Kunden zu erraten.“

„Wie wollt Ihr es aber anstellen, mir solch einen Wunsch zu erfüllen?“, interessierte sich der Jüngling, da der fremde Kaufmann mit seinen seltsamen Worten wirklich seinen geheimsten Wunsch ausgesprochen hatte.

„Ich wäre ein Narr es Euch zu verraten. Doch wenn es wirklich Euer Wunsch ist, dann gebe ich Euch eine Stimme, die die Menschen zuvor noch nie gehört haben. Obendrein schenke ich Euch ein langes Leben, das die Hundert streift.“

Dann schwieg Herr Nöö.

Doch der Jüngling lachte: „Ich weiß nicht wie ihr Euch nennt, Herr und ob Ihr so etwas wirklich zu tun vermögt. Außerdem könnte ich Euch dafür niemals etwas Gleichwertiges bieten.“

„Ach“, rief Herr Nöö, „etwas werdet Ihr schon haben, das mir gefällt. Und es muss nicht von großem Wert sein. Was meinen Namen angeht, nun der wird Euch wenig sagen. Ich bin Herr Nöö und handle mit verborgenen Wünschen, die ich so gut es eben geht erfülle.“

Dem Jüngling erschien Herr Nöö zwar seltsam, doch ebenso erregte ihn dieser ungewöhnliche Handel.  So fragte er: „Was würdet Ihr haben wollen, falls ein Handel zwischen uns zustande käme?“

„Oh, nein, nichts wirklich Wertvolles. Nein, niemals. Auch nicht sofort. Und Ihr braucht es mir erst bei Eurem Tod zu geben. Vielleicht Eure Schuhe? Die braucht Ihr dann ohnehin nicht mehr. Und noch Eure Seele, die nutzlos ist im Jenseits“, sagte Herr Nöö sehr leise.

„Meine Seele, wie kommt Ihr auf das?“, wollte der Jüngling wissen.

„Ohh, es war nur so eine Idee. Ich wollte nichts Bestimmtes und Euch nur von Nutzlosem befreien.“

Dem Jungen erschien der Handel zu seinem Vorteil und er willigte ein. Es geschah wie alle Dinge geschehen. Ist auf beiden Seiten die Gier erst einmal geweckt, ist man sich meist vor Sonnenuntergang einig. Einzig, dass der wunderliche Herr Nöö darauf bestand einen Vertrag aufzusetzen und ihn mit Blut zu unterzeichnen, dünkte dem Jüngling eigenartig.

„Eine Sitte meiner Zunft“, sagte er demütig. Dann blies er dem Jüngling dreimal ins linke Ohr und sagte: „Olljihim!“

Nun begann sich das Leben für den Jüngling, der bald nur mehr  der große Sänger genannt wurde, wie durch Zauberhände zu verwandeln. Er, der Sänger, begann zu singen. Die Menschen blieben wie gebannt stehen und hörten zu. Noch nie zuvor hatten sie Lieder dieser Art gehört. Viele sagten diese Stimme hebe sie in ein anderes Land. Die Menschen, die ihn gehört hatten, blieben tagelang still und lauschten der Stimme des Sängers in ihrem Inneren. Wo immer er war kamen ganze Scharen zusammen. Sie wollten nichts anderes als seinen Gesang hören. Er sang vom Anfang der Welt und den großen Gewalten des Daseins. Nie aber sang er von der Liebe. Der Jüngling fühlte selbst den Zauber seiner Lieder. In seiner Stimme lag eine Kraft, die ihn und seine Zuhörer berauschte.

Oftmals dachte er an die seltsame Begegnung mit Herrn Nöö. Immer wieder fragte er weit gereiste Kaufleute, ob sie einen Kaufmann namens Nöö kannten. Aber niemand wollte je etwas von ihm gehört haben.

Schließlich gelangten die wundersamen Erzählungen über den Sänger zum Dodokan, dem König des Landes. Er sandte dem Sänger hundert Speerträger mit der Bitte in seinem Haus  zu singen. So kam es, dass der Jüngling vor dem Dodokan sang. Er sang ihm von der Gewalt des Mondes und den sieben Schleiern der Nacht, von Saris, dem Totenvogel, und dem Hause KechAmeel, dem Hause der Mutter. Der König lauschte gebannt auf des Sängers Stimme. Unter den Edlen rund um den König aber saß Herr Nöö, der am Ende des Liedes aufstand und den Sänger umarmte.

“Ich sehe, dass Ihr aus meiner Gabe etwas gemacht habt. Ihr erfüllt mit diesem Klang nicht nur die Seelen vieler, sondern auch die Eurige”, flüsterte er dem Überraschten ins Ohr und verschwand unter den Edlen. Niemand hatte ihn gesehen und keiner erinnerte sich an ihn. Sieben Tage ließ er den ehrenwerten Herrn Nöö in der Stadt ausrufen, doch außer einem Bettler, der sich Geld erhoffte, kam niemand.

Der Sänger blieb lange Zeit am Hof des Königs. Er sang und aus seinem Mund kamen Lieder, die es zu keiner Zeit vorher gab.

Schließlich zog er über ein großes Meer in ein anderes, fremdes Land. Auch dort sang er vor Königen, Vornehmen und Armen. Aber zu keiner Zeit verließ ihn die Suche nach Herrn Nöö. Es schien ihm plötzlich falsch, dass er seine Seele nach dem Tode Herrn Nöö verschrieben hatte.

Einmal erzählte er einem alten Arzt von Herrn Nöö, dem Kaufmann der die geheimsten Wünsche erfüllen konnte. Der Arzt nickte: „Ich glaube, dass ich ihm einmal begegnet bin. Aber den Handel habe ich gescheut. Er wollte ein paar Schuhe und meine Seele….. „ – plötzlich hielt er inne. „Ihr seid den Handel eingegangen, nicht wahr? Darum habt Ihr diese Stimme“, rief der erschrockene Arzt. Aber wo Herr Nöö zu finden sei, wusste er auch nicht.

Viele Jahre vergingen und in all der Zeit argwöhnte der Sänger: „Der schlaue Herr Nöö versprach sich von dem Handel weit mehr, als ich mir je dachte.

Wenige Zeit später hörte er von einem alten Einsiedler eine seltsame Geschichte, die dieser im Fieber phantasierte. „Die Götter kennen kein Erbarmen“, rief der Gepeinigte. „Sie haben einen von ihnen aus dem Himmel geworfen. Nun treibt er sich auf der Erde als Händler herum. Meidet ihn! Auch wenn er die seltsamsten Wünsche zu erfüllen vermag.“

Bei diesen Worten musste der Sänger heftig an Herrn Nöö denken und dass er als Jüngling unbedacht gehandelt hatte, als er ihm seine Seele verkaufte.

So zogen die Sommer ohne dass er von Herrn Nöö gehört, geschweige ihn gesehen hätte. An manch stillen Abend feilte  der Sänger an einer List, wie er seine Seele zurückgewinnen konnte.

Und dann kam der ehrenwerte, lang ersehnte Herr Nöö ganz unerwartet in sein Haus. „Ihr seid ein stattlicher Herr geworden und Eure Lieder sind noch schöner als früher“, begrüßte er den Sprachlosen. „Ich habe meinen Handel nicht umsonst mit Euch geschlossen, das merke ich immer wieder, wenn ich Euch sehe.“

Gebannt starrte der Sänger auf den lächelnden Herrn Nöö. „Gut, dass ich Euch sehe. Ihr sollt wissen, dass ich schon lange nach Euch gesucht habe”, rief er. „Aber jetzt, da Ihr von selber gekommen seid, bin ich beruhigt. Ich habe Bedenken wegen unseres Handels. Es scheint mir, dass Ihr einen Betrug plant“.

„Einen Betrug?“, entfuhr es Herrn Nöö. „Nein, niemals. Ich freue mich über Euren Erfolg und was unseren Handel betrifft, kann ich Euch beruhigen. Eure Seele ist bei mir gut aufgehoben. Da solltet Ihr wirklich nichts Böses von mir denken!“

Vorsichtig begann der Sänger Herrn Nöö in die Fäden seiner List einzuspinnen, um seine Seele zurück zu gewinnen. „Ich rede nicht von meiner Seele Herr Nöö, sondern von meinen Schuhen. Ich will wissen, was Ihr nach meinem Tod mit ihnen vorhabt?“ „Den Schuhen?“, fragte Herr Nöö überrascht und erleichtert. „Die könnt Ihr gerne behalten und mit ins Grab nehmen. Die haben keinen Wert für mich! Mir genügt Eure Seele. Ich gebe Euch mein Wort.“

Jetzt da der Sänger diese Worte hörte, zeigte er offensichtlich seine Freude. Er verbeugte sich dankbar vor Herrn Nöö, umarmte ihn sogar und lud ihn ein, in seinem Haus zu verweilen. Dieser betrachtete den Sänger plötzlich sehr misstrauisch. „Halt, sagt mir, was meint Ihr mit Euren Schuhen?“

Der Sänger schwieg. Dann begann er vorsichtig: „Nichts weiter, als dass ich sie vermissen würde. Sie haben ihren Wert für mich“.

„Einen Wert, sagt Ihr? Was meint Ihr mit Wert?“

Wieder schwieg der Sänger geheimnisvoll. „Ich meine die geheime Kraft, die in diesen Schuhen steckt. Jetzt da sie mein bleiben, kann ich es Euch verraten. Wann immer ich will kann ich damit von der Erde zum Himmel hinauf steigen. Und nach meinem Tod brauche ich die Schuhe erst recht, wenn ich hin und wieder zur Erde wandern will um mich zu amüsieren.“

Herr Nöö lächelte: „Nein, das ist unmöglich. Ihr wollt mir eine Falle stellen. Wäre es so, dann würdet Ihr ja wissen, worüber die Götter reden!“

„Wenn Ihr es hören wollt. Ja, ich habe sie schon öfter belauscht. Sie reden über alles Mögliche. Interessanterweise auch über Euch, Herr Nöö. Ich wusste gar nicht, dass man Euch dort so gut kennt. Doch sie sagen sehr hässliche Dinge über Euch. Sie sagen, dass Ihr ein völlig nutzloser alter, eingebildeter Dummkopf seid. Sie lachen über Eure Dummheit, und dass Ihr Euch so leicht aus dem Himmel habt werfen lassen. Ihr seid dümmer als ein hinkendes Schaf. Und solltet Ihr jemals die Gelegenheit dazu bekommen den Himmel wieder zu ersteigen, Ihr wäret zu dumm es zu merken. Ja, das wird über Euch geredet!“, sagte der Sänger zu dem völlig fassungslosen Herrn Nöö.

„So reden sie also über mich, seit ich nicht mehr an ihrem Tisch esse“, brüllte Herr Nöö aufgebracht. „Dafür verlange ich meine Rache. Gebt mir sofort Eure Schuhe. Ich muss in  den Himmel!“

„Die Schuhe wollt Ihr? Die habt Ihr mir mit Eurem Wort gerade eben zurückgegeben und ich habe sie dankbar angenommen, ehrenwerter Herr Nöö“, freute sich der höchst glückliche Sänger. „Aber falls Ihr sie wirklich so dringend braucht, will ich sie Euch für diesen Gang gegen ein kleines Geschenk borgen. Diese Freude will ich Euch gerne bereiten. Ihr müsst sie mir aber verlässlich wieder bringen.“

„Was wollt Ihr dafür, ehrenwerter Sänger?“

„Nun, ich will Euch nicht in Verlegenheit bringen, noch will ich Euch übervorteilen. Doch gebt mir meine Seele zurück. Sie bedeutet Euch  nicht viel. Dann könnt Ihr zum Himmel reisen.“

Herr Nöö drehte sich zum Fenster und schwieg lange. Schließlich sagte er: „Ihr wollt Eure Seele zurück für ein Paar Schuhe? Ihr wollt mir wirklich diesen lächerlichen Handel vorschlagen?“

Der Sänger lachte. „Es stimmt also, was die Götter über Euch erzählen. Ihr würdet zu dumm sein die Gelegenheit zu nutzen. Ihr seid ein Narr und die Götter erzählen sich Witze über Euch.“

„Zu dumm, sagt Ihr? Hört zu. Sollte ich mir Eure Schuhe borgen, gebe ich Euch Eure Seele, aber ich nehme mir Eure Stimme wieder.“

„Meine Stimme, aber Ihr…?“, rief der erschrockene Sänger.

Und der Handel begann hin und her zu wogen, wie die Brandung, die nach dem Land trachtet.

„Sag, Tschutscha, hat Herr Nöö den Handel angenommen?“

„Ob er die Schuhe annahm? Keine Ahnung. Der Handel ging ewig.

Es ging um viel. Sie feilschten um Kostbarkeiten.

Warum willst du das wissen, Ethel?“

„Aus Neugier, Tschutscha.“

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