Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) stellt in seinem Trauerspiel den willkürlichen Herrschaftsstil des Adels der neuen aufgeklärten Moral des Bürgertums gegenüber. Irmgard Lübke hat den Klassiker auf das Wesentliche reduziert und mit einer klaren, ungemein intensiven Inszenierung das Premierenpublikum im Schauspielhaus Salzburg am 18. Jänner 2018 tief beeindruckt.
Von Elisabeth Pichler
Der Prinz von Guastalla hat kein Interesse mehr an seiner Mätresse und denkt nur noch an die junge, unschuldige Emilia Galotti. Als er erfährt, dass diese noch am selben Tag Graf Appiani heiraten soll, beauftragt er seinen Kammerherrn, dies zu verhindern, wobei er ihm völlig freie Hand lässt. Der intrigante Marinelli arrangiert daher einen Überfall auf die Kutsche des Grafen und lässt Mutter und Tochter von „Rettern“ in das Schloss des Prinzen bringen. Als Emilia das Komplott, dem ihr Verlobter zum Opfer gefallen ist, durchschaut, beginnt sie um ihre Tugend zu fürchten, denn so ganz kalt haben sie die Avancen des hohen Herrn doch nicht gelassen.
Simon Jaritz gibt den Prinzen als schwärmerischen, launenhaften und pflichtvergessenen Lebemenschen, der sich nicht bewusst ist, dass er durch seine Machtfülle eine bürgerliche Familie zerstört. Ihm zur Seite brilliert Bülent Özdil als intriganter Kammerherr, der sichtlich Spaß an seinen Untaten hat. Emilia (Kristina Kahlert) hat gegen die Verführungskünste des Prinzen keine Chance, wie in der Kirchenszene klar zum Ausdruck kommt. Auch ihre Mutter (Susanne Wende) fühlt sich von der Aufmerksamkeit, die der Prinz ihrer schönen Tochter schenkt, geschmeichelt. Der gestrenge Vater (Harald Fröhlich) hingegen begegnet dem Glanz des Hofes mit Unbehagen und Misstrauen, seine Gattin hält er für eitel und töricht. Christine Warnecke hat ihren großen Auftritt als gedemütigte, betrogene und verlassene Gräfin Orsina, die dem rechtschaffenen Galotti die Augen öffnet und ihm Gift und Messer für seine Rache anbietet.
Die bis auf sieben Betschemel völlig leere, von hellgrauen, durchsichtigen Tüchern umrahmte Bühne fördert die völlige Konzentration auf das tragische Geschehen. (Ausstattung: Andrea Kuprian). Irmgard Lübke hat die feudalen Vorstellungen von Liebe und Ehe mit enormem Tempo auf das bürgerliche Liebesverständnis prallen lassen. Eine äußerst konfliktgeladene Kombination zu einer Zeit, als sexuelle Belästigung noch nicht für Schlagzeilen sorgte. Der stark gekürzten Fassung ist auch das aussagekräftige Schlusszitat “Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert“ zum Opfer gefallen, mit dem die sterbende Emilia ihr Geschick umschreibt.
„Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing. Regie und Fassung: Irmgard Lübke. Ausstattung: Andrea Kuprian. Mit: Kristina Kahlert, Harald Fröhlich, Susanne Wende, Simon Jaritz, Bülent Özdil, Frederic Soltow, Christiane Warnecke. Fotos: Jan Friese
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